… Weltmusik
Stewart Copeland: Es gibt mehr Musik als diejenige aus dem Radio. Populäre Musik aus entfernten Orten und Kulturen kann genauso das Herz erwärmen – oder es brechen. Weltmusik ist tatsächlich Teil der Globalisierung von Kultur geworden. Die europäische und die amerikanische Kultur fanden den Weg in die entferntesten Ecken der Welt – und jetzt hallt von überall her eine enorme Vielfalt zurück.
… Klassik
Copeland: Im Englischen hat „classical music“ zwei Bedeutungen. In der Welt der Klassik bezeichnet es eine Epoche. Generell kann aber der Begriff für alles stehen, was mit einem Orchester gespielt wird. Da ich derzeit noch lebe, bin ich nicht qualifiziert, zur ersten Gruppe zu gehören. Und für meine Musik wiederum bevorzuge ich eher die Bezeichnung „orchestral“. Ich bin ein Wesen des 21. Jahrhunderts und schreibe Musik über moderne Zeiten, verwende aber ein uraltes Instrument namens Orchester. Es ist ein wunderschönes, komplexes Instrument mit einem enormen Vokabular, das sich seit Jahrhunderten nicht erschöpft hat. Es stecken so viele Details darin. Für Leute, die elektrische Gitarren und Power mögen, mag es überraschend sein, welche aufregenden Möglichkeiten in einem Orchester stecken und dass sechzig Leute auf der Bühne die Luft zum Brennen bringen.
… Polyrhythmik
Copeland: Das ist ein gutes Wort! Rhythmus ist tief verankert im Homo sapiens. Mein dreijähriger Enkel versteht den Rhythmus der Sprache besser als die Worte der Sprache. Er kann das Alphabet-Lied komplett bis zum Schluss singen, aber er kann keinen vollständigen Satz formen. Musik, Rhythmus und Melodie kommen in seinem Gehirn früher an als die gesprochene Sprache. Rhythmus ist im Grunde ein sehr einfaches Konzept, das man immer komplexer ausgestalten kann. Popmusik ist sehr einfach: 4/4-Beats in durchgehendem Tempo und aus einfachen Teilen zusammengesetzt. Aber unser Gehirn ist ziemlich clever. Wir können die Zeit in viele kleinere Einheiten unterteilen und manchmal auch gleichzeitig in Dreier oder Vierer. Weiter gedacht kommen wir dann zur Polyrhythmik. Ein tolles Konzept!
… Offbeat
Copeland: Als Zuhörer hat man eine Erwartung, wo der Beat landen wird. Wenn die Betonung aber ein bisschen davon wegrückt, schafft das eine Spannung. Du lehnst den Beat ein wenig nach rechts, nach links, du rüttelst an der wissenschaftlichen Exaktheit des Zeitmaßes. Offbeat ist keine schlampige Arbeit des Drummers, sondern ein sehr individuelles Gestaltungsmittel. Oder anders gesagt: Synkopierung. Ich glaube, ich habe das schon mal ausprobiert … (lacht)
… Oscars
Copeland: Die Einreichungen der letzten Jahre waren ziemlich lahm. Das wahre Talent ist zum Fernsehen gewechselt. Die besten Regisseure, Schauspieler, Designer, Drehbuchautoren arbeiten mittlerweile für Serien wie Game of Thrones. Mich selbst langweilen die meisten Filme, die mit enormen Budgets produziert werden und in die Kinos kommen. Verschwendete Abende! Ich bleibe lieber zuhause und schaue mir zusammen mit meiner Frau Game of Thrones ein zweites Mal an. Und wissen Sie was? Beim zweiten Mal ist es noch besser als beim ersten Mal!
… Potsdam
Copeland: Eine wunderschöne Stadt. Jedenfalls soweit ich es über Fotos und Google Maps beurteilen kann. Außerdem hat Potsdam mit dem Filmorchester Babelsberg einen herausragenden nichtklassischen Klangkörper, der mich auf der Tour begleiten wird. Es ist, ohne übertreiben zu wollen, sicher eines der besten Filmorchester der Welt. Als Komponist würde ich heute eher mit ihnen als mit den Berliner Philharmonikern arbeiten – die natürlich eines der besten Orchester der Welt formen. Wenn ich Brahms oder Mahler in einer herausragenden Interpretation hören möchte, gehe ich zu ihnen. Wenn es aber ein neuer Score ist, dann will ich die Leute hören, die jeden Tag mit neuen Scores zu tun haben. Denn hier spielen Musiker, die sich mit Film beschäftigen, die Filme lesen können. Das lernt man nicht in der traditionellen klassischen Ausbildung. Es ist einfach eine ganz andere Art musikalischer Aktivität.