Vor über einem Vierteljahrhundert haben sich Aglika Genova und Liuben Dimitrov als Klavierduo gefunden. Seitdem haben die beiden in Bulgarien geborenen Musiker die internationalen Bühnen im Sturm erobert und mittlerweile siebzehn Alben aufgenommen. Ihre aktuelle CD haben sie einer amerikanischen Komponistin gewidmet, die hierzulande noch als absoluter Geheimtipp gilt: Amy Beach.
Was war die größte Herausforderung bei diesem Album?
Aglika Genova: Besonders bei Repertoire, das die Leute noch nicht kennen, muss die Aufnahme in allerbestem Licht präsentiert werden, ansonsten haben wir unsere Aufgabe einfach nicht erfüllt. Deshalb beschäftigen wir uns monatelang mit den Werken und dem Komponisten, um etwas ganz Besonderes zu schaffen.
Liuben Dimitrov: Unser Publikum soll diese Musik in ihrer ganzen Schönheit und Reinheit erleben können. Ähnlich wie die Komponisten selbst, fühlen wir uns persönlich verantwortlich dafür, wie die Werke, die wir aufführen, wahrgenommen werden.
Genova: Wir haben deshalb versucht, so viel wie möglich auch über Amy Beach als Mensch zu erfahren. Letztendlich haben wir als einzige Quelle den Notentext und eben Aufzeichnungen über ihr Leben. Beides zusammen ergibt dann ein Bild, das es uns erlaubt, tief in ihre Musik einzutauchen.
Wie haben Sie Amy Beach entdeckt?
Dimitrov: 1997 waren wir als Studenten an der Hannoverschen Musikhochschule zum ersten Mal in Amerika, da hatten wir uns als Duo gerade frisch gefunden – als Paar kannten wir uns ja schon ein paar Jahre. Jedenfalls waren wir Teilnehmer und auch Gewinner des weltweit größten Klavierduo-Wettbewerbs in Miami und dort haben wir glücklicherweise die Gründerin und langjährige Präsidentin Loretta Dranoff kennengelernt, die uns von ihren persönlichen Erfahrungen mit Amy Beach und interessante Geschichten über sie erzählt hat. Auch während unserer darauffolgenden Konzerttourneen durch die USA begleitete uns der Name Amy Beach oft.
Was fasziniert Sie an Amy Beach?
Genova: Amy Beachs ganzes Leben bestand nur aus Musik. Sie war eine so große Begabung und eine absolute Autodidaktin. Trotz der strengen Herrschaft ihres Mannes war sie dermaßen stark, dass sie ihr außerordentliches Talent entgegen aller Zwänge in der Ehe bewahren konnte und nach seinem Tod richtig aufblühen ließ. Sie hat wieder angefangen Konzerte zu spielen, ist durch Europa gereist und war drei Jahre in Deutschland. Ihre Musik hat uns von Anfang an mit ihrer einmaligen Sensibilität, Reinheit und Unverfälschtheit verzaubert.
Was können wir heute noch von Amy Beach lernen?
Genova: In erster Linie, dass man das Positive niemals vergessen und an das Gute im Leben glauben sollte. Auch in den hoffnungslosesten Momenten. Wir glauben beide an Gott!
Dimitrov: Talent und Genialität kommen immer durch, egal unter welchen Bedingungen.
Sie sind nicht nur international anerkannte und gefragte Konzertpianisten sowie Echo-Klassik-Preisträger, sondern Sie unterrichten auch an der Musikhochschule Hannover. Was geben Sie an Ihre Studenten weiter?
Dimitrov: Wir geben eigentlich alles weiter, was wir wissen. Und unsere Lehrer sind im Geiste immer bei uns. Das Porträt unseres Professors Vladimir Krainev hängt bei uns im Zimmer an der Musikhochschule. Zwar sind wir oft für Konzerte und Aufnahmen unterwegs, aber unsere Studenten wissen das und können uns trotzdem fast jederzeit erreichen.
Genova: Aber wenn wir mal in Hannover sind, dann arbeiten wir mit den Studenten sehr akribisch und hingebungsvoll. Bis eine Phrase wirklich sitzt, kann es auch mal länger dauern – aber wir schauen nie auf die Uhr. Wir wollen einfach, dass sich unsere Studenten selbst Gedanken zu einem Werk machen und sich nicht von Anfang an von Aufnahmen beeinflussen lassen.
Dimitrov: Selbst die schönsten Aufnahmen werden als Kopie nur zu blassen Wiederholungen. Wir erinnern unsere Studenten stets daran, welche Verantwortung sie gegenüber dem Notentext und dem Komponistenwillen haben, als würden sie direkt vor dem Komponisten spielen, ganz egal, ob es sich dabei um Mozart, Schubert oder Corigliano handelt.
Dann sollte Ihnen die Zusammenarbeit mit zeitgenössischen Komponisten ja eine wahre Freude sein.
Genova: Dafür sind wir auf jeden Fall aufgeschlossen! Und wir bekommen auch regelmäßig Noten von zeitgenössischen Komponisten und werden auf allen Kanälen kontaktiert. Aber wir sind eben auch sehr, sehr kritisch. Zudem gibt es bereits so viele Werke – wie die von Amy Beach – die irgendwo als versteckte und unentdeckte Schätze im Dunkeln warten.
Bei Amy Beach sind ja auch immer wieder folkloristische Einflüsse zu finden. Inwieweit spielt bei Ihnen die traditionelle bulgarische Volksmusik eine Rolle?
Dimitrov: Es hat uns einfach umgehauen, dass Amy Beach niemals auch nur einen Fuß östlich von Deutschland gesetzt hat und sich trotzdem so stark mit dem Balkan identifizieren konnte. Nur anhand von Erzählungen und Volksliedern!
Genova: Absolut, die bulgarische Folklore spielt auch in unserem Leben eine große Rolle. Besonders faszinieren mich noch immer die wunderschönen Frauenstimmen, die diese ganz besondere Klangfarbe ergeben. Die bulgarische Volksmusik ist so reichhaltig und vielfältig. Das merkt man besonders an den unglaublich komplexen Rhythmen.
Dimitrov: Da weiß man in einem Takt manchmal gar nicht mehr, wo vorne und hinten ist. Als Schüler konnte man beim Taktzählen da richtig verrückt werden!
Amy Beach komponierte wohl besonders gerne im Freien. Wo erhalten Sie Ihre Inspirationen?
Genova: Wir sind auch sehr gerne draußen, versuchen, wo es immer geht, zu schwimmen oder zu wandern. Und vor kurzem haben wir Golf für uns entdeckt. Diese Sportart mit ihrer ganzen Spielkultur begeistert uns. Aber wir sind noch ganz am Anfang und üben erst einmal, die Bälle richtig zu treffen …
Dimitrov: … oder auch nicht. (lacht) Aber für uns ist es einfach eine gute Kombination von Sport und schöner Natur, denn jeder Golfplatz auf der Welt ist einzigartig und dabei fast schon unwirklich, und gleichzeitig ist alles immer perfekt vorbereitet – und zwar immer auf höchstem Level.
Sehen Sie hier den Trailer: