Laue Bergseen in Colorado, alte Pyramiden in Mexiko, Kängurus streicheln in Australien. Was bei anderen nach erholsamer Urlaubsreise aussieht, hat bei Anneleen Lenaerts meist einen beruflichen Hintergrund. Als langjährige Soloharfenistin der Wiener Philharmoniker bereist sie regelmäßig die ganze Welt – und nutzt auch bei Konzerttouren jede freie Minute für besondere Erlebnisse, die sie gern mit ihren zahlreichen Followern bei Instagram teilt.
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Man hat immer kleine Augen beim Neujahrskonzert. Das war letztes Jahr, dieses Jahr hatte ich nämlich zum ersten Mal seit Langem wieder frei zum Jahreswechsel. Kein Neujahrskonzert, keine „Fledermaus“. Aber natürlich ist es jedes Mal wirklich was Besonderes. Viele denken, das Konzert ist vorab aufgezeichnet, aber es ist wirklich live und es sind so viele Millionen Zuschauer dabei. Und wenn ich mitbekomme, wie Leute mitfiebern, auch die, die sonst überhaupt nichts mit Klassik zu tun haben – das ist schon aufregend. Neben der Harfe steht immer eine Kamera. Wenn die anfängt, sich zu drehen, weiß ich schon, dass ich gleich im Bild bin und besonders gut aufpassen muss.
Normalerweise bin ich nicht so eine Person, die nach dem Konzert hinter die Bühne zum Dirigenten gratulieren geht. Meist möchte ich mich nicht aufdrängen. Aber hier – ich glaube, es war in Salzburg – dachte ich mir, komm, jetzt mach mal ein Foto mit ihm. Riccardo Muti ist wirklich eine besondere Persönlichkeit. Es ist unglaublich, wie intensiv die Musiker an seinem Dirigiertstab hängen, in welche Höhen er das Orchester treiben und was für Farben er herausholen kann. Das hat mich sehr beeindruckt. Natürlich ist er auch ein bisschen Diva und genießt diesen hohen Respekt des Orchesters sehr, aber er ist dabei nie bösartig oder herablassend. Ich mag ihn sehr. Mein absoluter Lieblingsdirigent war übrigens immer Mariss Jansons.
Ah, das bin ich mit meiner Mama vor vielen, vielen Jahren. Wie alt ich da bin, weiß ich gar nicht mehr. Meine Eltern waren selbst keine Musiker und kamen aus eher einfachen Verhältnissen. Aber sie haben mir und meinen Geschwistern immer jede Unterstützung gegeben. Sie haben uns alles ermöglicht, aber uns nie unter Druck gesetzt. Dafür bin ich natürlich extrem dankbar. Ich weiß, dass das nicht selbstverständlich ist. Oft höre ich traurige Geschichten von meinen Studenten, die zu Hause keinerlei Wertschätzung bekommen für das, was sie tun und lieben. Ich selbst war neun, als ich zum ersten Mal Harfe spielte. Nebenher habe ich auch Klavier gelernt, mit achtzehn musste ich mich dann entscheiden, welchen Weg ich gehen will; also quasi, ob ich die Saiten horizontal oder vertikal bespielen will.
Hier waren wir mit auf Tournee in Mexiko und Südamerika. Die Arbeit im Orchester ist unfassbar hart. Man ist wirklich sehr viel unterwegs und hat sehr wenig Freizeit. Andererseits ist es auch ein echtes Privileg, wie viel man durch diesen Beruf von der Welt zu sehen bekommt. Ist natürlich auch anstrengend, sich tagsüber Ruinen, Pyramiden oder die Chinesische Mauer anzugucken und dann abends wieder hochkonzentriert im Konzert zu sitzen. Aber man darf solche Gelegenheiten nicht ungenutzt lassen.
Das war in Irland. Ich hatte eine Kammermusiktournee und dazu gehörte, auch Masterclasses zu geben. Ich liebe es, mit jungen Leuten zu arbeiten und sie zu unterrichten. Was hier sehr spannend war: Während mein Gehirn darauf getrimmt ist, vom Blatt nach Noten zu spielen, hat diese Klasse hier ihre irische Traditionsmusik rein nach Gehör gespielt. Die konnten keine Noten lesen. Dann saßen sie alle vor mir, und ich dachte: Okay, wo fange ich jetzt an? Es war für mich absolut außerhalb meiner Komfortzone. Sie hatten einfach einen ganz anderen musikalischen Hintergrund als ich, das war für mich nicht leicht. Aber sie hatten so eine Freude beim Musizieren, das war wirklich mitreißend.
Das belgische Königshaus hat ein eigenes Blasorchester. Zum Anlass eines Jubiläums von König Philippe hat mein Bruder, der Komponist ist, ein Harfenkonzert geschrieben, bei dem ich dann den Solo-Part übernehmen durfte. Dafür habe ich extra eine Asientournee mit den Philharmonikern ausfallen lassen. Normalerweise bin ich vor Auftritten nicht wirklich nervös, aber bei diesem Konzert war das anders. Es war ja quasi doppelt aufregend: Zum einen bei so einem besonderen Ereignis vor dem Königspaar zu spielen und dann auch noch ein Stück meines Bruders. Da habe ich die ganze Verantwortung gespürt. Und natürlich hat die gesamte Familie mitgefiebert.
Auch das ist leider kein Urlaubsbild, sondern wieder eine Tournee, diesmal in Australien: „Musica Viva“ mit Adam Walker und Timothy Ridout. Die Tour ging drei Wochen. Ich wollte das damals unbedingt machen, deshalb habe ich dafür zum ersten Mal in meiner Karriere eine Karenzzeit, also eine Auszeit bei den Philharmonikern genommen. Das Minimum beträgt hierbei jedoch zwei Monate, und so hatte ich nach der Konzertreise noch etwas Puffer. Den habe ich dann genutzt, um meinen Führerschein zu machen. Dafür hatte ich nämlich durch die ständigen Orchesterdienste nie Gelegenheit. Also, ab zum Schnellkurs und an zehn Tagen durchgezogen. – Führerschein und Kängurus, Karenzzeit gut genutzt, würde ich sagen.
Unterwegs zu einem Fotoshooting. Das ist vor der Wiener Staatsoper. Typisches Bild. So schaut man als Harfenistin oft aus, wenn man nicht spielt und dann kommt immer die übliche Bemerkung: Hättest du doch Flöte gelernt! Es ist schon ein unpraktisches Instrument, aber zum Glück muss ich es nicht immer selber schleppen.
John Williams. Er hat ein Violinkonzert für Anne-Sophie Mutter geschrieben mit einem ganz wichtigen Harfenpart darin, quasi wie ein Doppelkonzert. Es war natürlich wirklich was Besonderes, so nah mit ihm zu arbeiten. Er ist so eine Filmmusik-Legende und er war einfach so ganz normal und nett. Unfassbar, wie die Leute ausgetickt sind, wenn wir seine Klassiker gespielt haben. Es war auch ein ganz anderes Publikum als wir sonst im Wiener Musikverein haben. Er wurde gefeiert wie ein Rockstar. Aber zugegeben, allein dieser „Imperial March“ im Goldenen Saal – das war echt cool!
Hier habe ich von König Philippe am flämischen Feiertag eine besondere Auszeichnung bekommen. Ich wurde – wörtlich übersetzt – zur „Kommandeurin der Krone“ ernannt. Man kann sich vorstellen, welche Witze dann gekommen sind von Freunden und aus dem näheren Umfeld … Das kam damals total unerwartet. Plötzlich hatte ich einen Brief aus Belgien mit dem Königssiegel im Briefkasten. Die Auszeichnung hat mir viel bedeutet. Es ermutigt einen doch sehr, denn es zeigt, dass das, was man tut und woran man so hart arbeitet, auch wahrgenommen und wertgeschätzt wird. Und das gibt viel Kraft.