Alles an diesem Lied berührt mich: der Text, die Melodie, die Harmonien. Im Unterschied zu vielen anderen Kunstliedern geht es nicht um Herzschmerz und Drama, sondern um ein Ideal, das auch ich in meinem Leben zu erreichen versuche: Die Liebe gewinnt. Sollte eine Beziehung scheitern und die einst geliebte Person mit jemand anderem glücklich sein, will ich ihr von Herzen alles Gute wünschen und für die gemeinsame Zeit dankbar sein. Brahms hat das perfekt umgesetzt. Besonders die Harmonien im zweiten Teil der Strophen spiegeln mit Unschuld den Text wider. Damit kann er Herzen zum Schmelzen bringen. Ich habe das Stück zum ersten Mal in einer gemeinsamen Aufnahme von Elisabeth Schwarzkopf und Dietrich Fischer-Dieskau gehört. In der letzten Strophe »und i wünsch, dass dir’s anderswo besser mag geh’n« habe ich vergessen, dass Schwarzkopf singt, so sehr vermag sie, aus der Musik herauszukommen und mir direkt ins Herz zu sprechen. Deswegen liebe ich diese Kunst so.
Strophenlieder sind für uns Sänger am schwierigsten, weil wir dem Publikum das Gefühl geben müssen, eine Geschichte zu erleben. Nur weil sich die Melodie wiederholt, darf es nicht langweilig werden. Früher wartete ich auf eine perfekte Reife in meiner Stimme, hatte Angst, Lieder aufzunehmen, bis mir eine Kollegin erklärt hat, auf meine Stimme im Hier und Jetzt stolz zu sein. Wie ich ein Lied singe, ist stets Ausdruck einer bestimmten Reflexion meines Sinns. Das ist sensibel und einzigartig. Kunstlieder verändern sich hingegen nicht.