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Interview Benjamin Reiners

„Wir sprechen von keiner Luxussanierung“

Der Kieler GMD Benjamin Reiners bewältigt neben der Dirigierverpflichtung auch zahlreiche andere Aufgaben, etwa die Erneuerung des Konzertsaals.

vonJohann Buddecke,

Seine erste Spielzeit als Generalmusikdirektor in Kiel kam für Benjamin Reiners ganz anders als erwartet. Statt am Dirigierpult zu stehen, musste für die kommende Saison komplett umdisponiert werden. Dass ihm diese Herausforderung fast ein wenig Spaß gemacht hat, ist dem gebürtigen Duisburger im Corona-konformen Telefoninterview durchaus anzumerken.

Ihre erste Spielzeit als GMD in Kiel wurde überschattet von der Coronakrise. Wurden Sie gleich zum Krisenmanager?

Benjamin Reiners: Das kann man so sagen. Ich war plötzlich mit Dingen konfrontiert, von denen ich nie geahnt hätte, dass ich mich einmal mit ihnen auseinandersetzen muss. Es war eine Herausforderung, mich in Themen wie Arbeitssicherheit, Kurzarbeit und Ausfallhonorare einzuarbeiten. In Kiel ist die Situation zudem besonders, weil man hier nicht einfach angestellter GMD, sondern mit dem Vorstand und der Anstalt des öffentlichen Rechts Teil einer dreiköpfigen Theaterleitung ist. Das war schon eine spannende Zeit und im positiven Sinne viel Arbeit. Ich hatte nicht das Gefühl, völlig ausgebremst zu sein.

Wie gestaltet sich der Arbeitsalltag in der Krise?

Reiners: Wie in allen anderen Branchen auch gab es jeden Tag neue Informationen, und jede Antwort, die man auf eine Frage bekommen hat, hat eine neue Frage aufgeworfen. Im Wesentlichen war es ein Marathon aus Online-Meetings, um zum einen das Alltagsgeschäft zu sichern, andererseits um die bestehende Planung sofort anzupassen, da wir natürlich eine Spielzeit veröffentlichen wollten, die realisierbar ist – auch in Bezug auf das Abo-System. Allerdings war ich auch als Musiker gefragt, zwar nicht als Dirigent, aber als ­Pianist für die Online-Kammermusikprojekte. Das war wichtig für mich, weil ich dadurch die Chance hatte, viele Orchestermusiker direkter kennenzulernen. Ich bin sehr stolz, dass wir insgesamt vier abendfüllende Onlinekonzerte produziert und im Juni auch wieder einige Livekonzerte gespielt haben.

Sie sind Nachfolger von Georg Fritzsch, der sechzehn Jahre in Kiel aktiv und sehr erfolgreich war. Wie gehen Sie mit dem Gedanken um?

Reiners: Es ist auf jeden Fall eine Herausforderung. Zudem muss ich aber sagen, dass ich unglaubliche Lust auf Neues habe, auf Innovation und auch auf künstlerische Impulse. Auf der anderen Seite fand unsere Staffel­übergabe auf Augenhöhe statt. Ich glaube, so etwas darf man nicht als selbstverständlich betrachten. Da kann es bei zwei aufeinanderfolgenden Dirigenten und Generalmusikdirek­toren schon ganz anders zugehen. Aber Georg ist freiwillig gegangen und ich habe viele seiner Projekte übernommen. Dazu gehört unter anderem die Konzertsaalsanierung im Kieler Schloss, die er wesentlich mit angestoßen hat. Nun bin ich derjenige, der seine Arbeit fortführt.

Wie genau sieht Ihre Rolle dabei aus?

Reiners: Ich habe Glück, weil das Projekt nun ganz konkret wird, die Pläne der Architekten vorliegen und der Startschuss für den Herbst 2021 festgelegt ist. Seit Beginn dieses Jahres gehört der Konzertsaal wieder der Stadt. Vorher war er in privatwirtschaftlichem Besitz. Nun sehe ich mich vor allem als Werber und Vermittler des Projekts, um weiterhin sowohl eine große Unterstützung der Politik als auch in der Bevölkerung zu erwirken. Zudem haben wir auch noch einiges an Spenden zu sammeln, obgleich wir damit bereits auf einem sehr guten Weg sind. Der Oberbürgermeister Ulf Kämpfer und ich möchten Überzeugungsarbeit leisten, wie sinnvoll diese Sanierung ist, wie gut die Pläne sind und dass wir hier keinesfalls von einer Luxus­sanierung sprechen. Vor allem muss man sich klar machen, dass wir in Kiel auch gar keine Alternative zu dem Saal haben. Wir brauchen ihn. Es fühlt sich aber wirklich so an, als ob niemand das Projekt wirklich anzweifelt. Dass dann noch mal die Finanzierungsfrage diskutiert wird, ist klar. Solche Projekte werden im Laufe der Planung immer teurer, aber auch da spürt man von Seiten des Landes und der Stadt ganz klare Rückendeckung.

Eine große kulturpolitische Verantwortung gleich zum Start …

Reiners: Absolut! Kiel braucht diesen Saal. Da kämpfe ich an vorderster Front, um alle von den Qualitäten zu überzeugen. Das Sanierungskonzept ist toll, der leitende Architekt ist großartig. Wir haben intensive Gespräche mit dem zuständigen Akustikbüro geführt, in die das Orchester auch aktiv mit einbezogen wurde. Jetzt freuen wir uns, dass es im Herbst nächsten Jahres losgeht.

Wie sind Sie von den Musikern des Orchesters empfangen worden?

Reiners: Das war überaus herzlich. Die Musiker sind neugierig und unfassbar motiviert. Ich habe von Anfang an ziemlich viel gewollt und meine Ziele klar definiert, dennoch haben wir innerhalb kurzer Zeit wahnsinnig viel erreichen können. Auch wenn die Spielzeit nun so früh abgebrochen wurde, sind wir sehr stolz auf unsere Leistung. Der Auftakt war künstlerisch erfolgreich und traf auf Zuspruch beim Publikum.

Benjamin Reiners und das Philharmonische Orchester Kiel
Benjamin Reiners und das Philharmonische Orchester Kiel

Wie läuft die Zusammenarbeit mit Generalintendant Daniel Karasek?

Reiners: Sehr gut, vor allem weil wir uns auch auf persönlicher Ebene verstehen. In Kiel wird die Musik nicht gegen die Regie ausgespielt. Es gibt kein Konkurrenzdenken, was natürlich auch in dem klugen Konstrukt der Theaterleitung begründet liegt, bei dem der General­intendant gleichzeitig der Schauspieldirektor ist und daneben der kaufmännische ­Direktor und ich als GMD stehen. Es entsteht immer ein sehr kreativer Prozess, bei dem alle Aspekte gesehen werden können. Ich habe hier bisher noch nie das Gefühl gehabt, dass ich für die musikalische Seite kämpfen müsste. Im Gegenteil, die Musik hat ein hohes Gewicht.

Am Nationaltheater Mannheim waren Sie musikalisch sehr vielseitig aufgestellt. Möchten Sie da in Kiel ähnlich fortfahren?

Reiners: Ja! Das kann man, glaube ich, auch an der kommenden Spielzeit erkennen. Genau da zeige ich, dass ich neben den großen Schinken genauso meinen Mozart-Zyklus weitermachen und sogar bei einer Musicalproduktion am Pult stehen möchte.
Konzerte sind bereits für die ganze Saison geplant, die Oper bis Dezember.

Eine Vorsichtsmaßname in Krisenzeiten?

Reiners: Nein! Wir möchten Vertrauen beim Publikum hervorrufen. Niemand soll ständig damit rechnen, dass andauernd irgendetwas abgesagt wird. Also haben wir uns entschlossen, erst einmal nur eine kleine Spielzeit zu präsentieren, die durchdacht ist. So haben wir für alle Sparten gemeinsam beschlossen, das Spielzeitheft erst mal nur bis Dezember herauszugeben, wobei es sich im Konzert einfach ein bisschen anderes verhält. Da geht es um Verpflichtungen von Gastdirigenten und Gastsolisten. Momentan gehen wir davon aus, dass wir zu Beginn des nächsten Kalenderjahres langsam wieder in der Normalität zurück kommen und nicht mehr vier der philharmonischen Konzerte anbieten müssen, sondern nur noch zwei.

Wie sind Sie bei der Opernplanung vorgegangen?

Reiners: Ich würde sagen: behutsam. Wir haben im Opernspielplan das Stück Balkonien in Auftrag gegeben, das sich auch mit der derzeitigen Thematik auseinandersetzt. Es ist eine Art szenischer Liederabend. Ansonsten haben wir durch geschickte Umstellungen kleiner besetzte Premieren nach vorne gezogen. Das betrifft Das Dschungelbuch und Scarlattis „Il Cambise“. Bei Mozarts „La finta giardiniera“ haben wir uns für eine verkürzte Form entschieden, die aber, wie ich finde, dem Stück sogar neue Facetten verleiht. Ironischerweise waren wir mit unserer Konzeption schon der Zeit voraus, weil wir das Orchester von Beginn an nicht im Orchestergraben geplant hatten, sondern auf der Bühne. Das kam uns natürlich entgegen, weil wir am Bühnenbild nicht wirklich etwas ändern mussten. Insgesamt bin ich also zuversichtlich, allerdings haben wir auch immer unseren Plan B in der Schublade.

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