Vom 16. September bis zum 7. Oktober lädt das Usedomer Musikfestival zu exquisiten Konzerten. Besondere Spielstätten, Ostsee-Strand und programmatische Vielfalt schaffen die unvergleichliche Atmosphäre einer weltoffenen Zwei-Länder-Insel. Mit dabei sind internationale Stars und junge Talente aus der Region. Die jährlich wechselnden Länderschwerpunkte präsentieren Schätze der Musik des Ostseeraums.
Stimmgewaltiges Lettland
Zum dreißigjährigen Jubiläum des Festivals steht Lettland im Mittelpunkt des Programms. Da der baltische Staat für seine Chortradition bekannt ist, erklingen auf Usedom in diesem Jahr viele Stimmen. Mit dem lettischen Sängerfest in St. Marien, gestaltet von Balsis aus Riga, dem besten Chor des Landes, begeht das Festival sein offizielles Jubiläum. Die international gefeierte Sopranistin Marina Rebeka bringt italienisches Opern-Flair und Lieder ihrer Heimat auf die Insel. Auch die Saiten der Kokle, der Brettzither aus dem Baltikum, werden zum Schwingen gebracht. Gleich im Eröffnungskonzert kann man den lettischen Komponisten Georgs Pelēcis kennenlernen.
Neue Orchesterkultur
Traditionell wird das Festival vom Baltic Sea Philharmonic eröffnet, dessen Gründung auf den Intendanten des Usedomer Musikfestivals, Thomas Hummel zurückgeht und dessen Gründungsdirigent der Este Kristjan Järvi ist. Um den vielseitigen Dirigenten versammelten sich 2008 exzellente junge Musiker aus allen zehn Ostsee-Anrainerstaaten. Mit seiner Begeisterung für die Kultur rund um das „Mittelmeer des Nordens“ schuf er einen innovativen Klangkörper, der mittlerweile das Festival auf der Insel prägt und als Botschafter in den Konzertsälen Europas zu Gast ist. Kristjan Järvi, der jüngste Spross der Musikerfamilie um Vater Neeme, erkundet als Spiritus Rector mit dem Baltic Sea Philharmonic neue Formen des orchestralen Zusammenspiels. Das Orchester musiziert auswendig und im Stehen oder sucht mit Choreografien und Raumkonzepten nach Inspiration für das Publikum und sich selbst – so auch beim Eröffnungskonzert, das im Kraftwerk Peenemünde stattfindet. Der Ort, an dem die Grundlagen für die moderne Raumfahrt gelegt wurden, hat eine zwiespältige Geschichte, denn hier wurde im Dritten Reich an Raketen für den verheerenden Vernichtungskrieg geforscht. Gemeinsam mit dem Historisch-Technischen Museum und dem Norddeutschen Rundfunk nahm das Usedomer Musikfestival 2002 die Turbinenhalle des Kraftwerks als Konzertsaal in Betrieb. Seitdem begeistern hier auch die Klangkörper des Norddeutschen Rundfunks, in diesem Jahr gestaltet das NDR Elbphilharmonie Orchester das Abschlusskonzert. Ein ganz besonderer Ostsee-Wind weht also nun an diesem Ort, dessen Besuch sich in historischer, musikalischer wie auch in architektonischer Hinsicht lohnt.
Viele weitere sehenswerte Spielstätten warten auf architekturbegeisterte Musikliebhaber. Im Flair prachtvoller kaiserzeitlicher Baudenkmäler der Kaiserbäder Ahlbeck, Heringsdorf und Bansin erwartet Besucher die Elite lettischer Kammermusik von der jungen Generation mit dem Trio Fabel bis hin zu den etablierten Meistern des RIX Piano Quartetts. Vor allem die zahlreichen Kirchen der Gemeinden auf der weitverzweigten Insel öffnen ihre Pforten für die Musik, ob nun für Kammerkonzerte, Lesungen (unter anderem mit Corinna Harfouch), Vokalmusik oder Jazz. Um das Seebad Heringsdorf schmücken die Seebrücken, pittoreske Strandhotels und das Schloss Stolpe der gräflichen Familie Schwerin das Festival. Eine Ausstellung über Gutshäuser und Schlösser der alten baltendeutschen Familien, die in Lettland und Estland ihre Spuren hinterlassen haben, bereichert das Festival.
Talentförderung am Strand
Immer schon war das Musikfestival mehr als eine Zusammenkunft großer Namen an schönen Orten. Gemeinsam mit dem Stolper Schlossverein, dem NDR und dem Tonkünstlerverband Mecklenburg-Vorpommern hat das Usedomer Musikfestival das Ostsee-Musikforum ins Leben gerufen. Der aus Litauen stammende Cellist David Geringas versammelt Jahr für Jahr hochbegabte Meisterschüler um sich und präsentiert die Ergebnisse gemeinsamer Arbeit in einem Konzert. Weitere junge Talente sind exklusiv auf der Insel zu Gast: aus dem New Yorker „Young Concert Artists“-Programm, das noch vom ersten Schirmherrn Kurt Masur zum Festival geholt wurde, gibt der komponierende Bassbariton Joseph Parrish sein Deutschlanddebüt. Am 4. Oktober wird zudem der Usedomer Musikpreis der Oscar und Vera Ritter-Stiftung an die lettische Cellistin Magdalena Ceple verliehen.
Nachbarschaft und Solidarität
Das Usedomer Musikfestival umfasst neben dem dreiwöchigen Stammfestival im September und Oktober auch noch die Usedomer Literaturtage im Frühjahr und die bundesweit stattfindenden Internationalen Tage Jüdischer Musik. In diesem Jahr ist zudem das Kharkiv MusicFest zu Gast, das wegen des Krieges in der Ukraine nicht in der zweitgrößten Stadt des Landes stattfinden kann. Das Usedomer Musikfestival hat sich gemeinsam mit dem Klarafestival aus Belgien einer internationalen Initiative angeschlossen und richtet als Zeichen der Solidarität ein Konzert dieses Festivals an der Ostsee aus. Es findet in guter Nachbarschaftlichkeit in Swinemünde/Świnoujście statt, dem polnischen Teil der Insel.
Den glanzvollen Abschluss des 30. Usedomer Musikfestivals gestaltet das NDR Elbphilharmonie Orchester mit Anna Vinnitskaya und unter der Leitung von Mikko Franck mit einem „All Baltic Sea“-Programm aus Lettland, Finnland und Russland in völkerverständigendem Geiste.