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Für den Sohn der Stadt

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Rossini Opera Festival Pesaro 2024

Seit 1980 würdigt das Rossini Opera Festival Pesaro allsommerlich den Meister des Belcanto. Auch seltener gespielte Werke aus Rossinis künstlerischem Umfeld werden gespielt.



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Als ein gütiger Gott anno 1792 seine Genie-Gene verteilte, hat er den Sohn einer Sängerin und eines Hornisten ausgesprochen großzügig gesegnet: Der auf den Namen Giovacchino getaufte Knabe erhielt das unglaubliche Talent, seinem eigenen Volk aufs flink plappernde Maul zu schauen, um daraus später den wunderbar wahnsinnigen Parlandowitz der Opera buffa zu zaubern. Der junge Musiker aus Pesaro, der seinen Vornamen selbst in die ungewöhnliche Schreibweise des Gioachino Rossini abwandelte, verstand sich freilich nicht minder großartig darauf, ernste Opern zu komponieren. Seine erste Opera seria erblickte im März 1812 in Ferrara das Licht der Musikwelt – wenige Tage nachdem der Komponist zwanzig Jahre jung wurde. Wobei das Alter des ewig Junggebliebenen so eine Sache ist: Denn geboren wurde der Komponist an einem 29. Februar, der nun mal nur alle vier Jahre im Kalender steht.

Besser als in seinem Geburtsort an der Adria hört man den ersten Rossini wohl nirgends
Besser als in seinem Geburtsort an der Adria hört man den ernsten Rossini wohl nirgends

Rossini Opera Festival Pesaro bietet noch Entdeckungen

In seiner Heimatstadt huldigt man dem großen Sohn von Pesaro, dieser Perle der Region Marken, seit dem Jahr 1980 mit eigens ihm gewidmeten Festspielen, die heute zu den besten internationalen Opernfestivals überhaupt gehören. Salzburg hat Mozart, Bayreuth hat Wagner, Halle hat Händel, ja, und Pesaro hat Rossini. Nichts geht über das Authentische des Genius Loci. Und so kann die Stadt an der Adria gehörig damit wuchern, der Geburtsort des Großmeisters der Komischen Oper und des Belcanto zu sein. Unter den monothematischen Komponistenfestivals gebührt dem Rossini Opera Festival fraglos die Palme. Das liegt zunächst an seiner Perspektive auf das Werk des ganzen Rossini. Wird er im Ausland meist mit seinen Buffa-Hits „Il barbiere di Siviglia“, „La Cenerentola“ oder „L’italiana in Algeri“ identifiziert, steht im Adria-Städtchen gleichberechtigt das ernste Schaffen auf dem Programm, das für viele Opernfreunde immer noch voller Entdeckungen steckt. Dazu zählten in den vergangenen Jahren Bibeldramen wie „Ciro in Babilonia“ und „Moïse et Pharaon“, Vertonungen von Weltliteratur wie „Otello“ oder „Guillaume Tell“ oder die klassisch tragische opera seria wie „Semiramide“ oder „Tancredi“. Sie sind allesamt enorm schwer zu besetzen.

Rossini- und Pesaroerfahren: Tenor Juan Diego Flórez
Rossini- und Pesaroerfahren: Tenor Juan Diego Flórez

Belcanto-Stars und junge Sängerinnen und Sänger Teil der Festival-DNA

Besser als in seinem italienischen Geburtsort aber hört man gerade den ernsten Rossini nirgends. Dafür sorgen einerseits die Stars des Belcanto, zu denen Juan Diego Flórez gehört, der in der Nähe einen Wohnsitz hat und hier im Sommer gern Partien in Werken übernimmt, die an den großen Opernhäusern sonst kaum auf dem Spielplan stehen. In diesem Jahr singt der Peruaner den Oreste in der Neuinszenierung der Azione tragica „Ermione“, die nach dem Fall Trojas spielt und auf der Grundlage des Euripides und der literarischen Vorlage von Jean Racines „Andromaque“ basiert. Anastasia Bartoli ist in der Titelpartie zu bewundern. Andererseits ist es ein Geheimrezept des Rossini Opera Festival, den sängerischen Nachwuchs selbst auf seine besonderen Aufgaben im Belcanto-Repertoire vorzubereiten und kontinuierlich für dessen Entwicklung zu sorgen. Die Accademia Rossiniana, die den Namen des 2017 verstorbenen, längst legendären Maestro und Musikforschers Alberto Zedda trägt, kümmert sich konsequent um die nächste sängerische Generation, die auf die spezifischen stilistischen Anforderungen des Belcanto vorbereitet wird. Zedda war diese zentrale Aufgabe zeitlebens ein Anliegen, er war von 2001 bis 2015 zudem Künstlerischer Leiter des Rossini Opera Festivals.

Alljährlich übernehmen die jungen Sängerinnen und Sänger im Rahmen des Festivals nun die multiplen Solopartien im Dramma giocoso „Il viaggio a Reims“, das seit 2001 in derselbenbewährten Inszenierung aufgeführt, aber eben alljährlich auch mit frischen, bestens vorbereiteten jungen Stimmen besetzt wird. Ein aparter Vergleich ist in der Festivalausgabe 2024 zudem möglich, denn die Festspiele klingen am 23. August mit einer konzertanten Gala desselben Werks aus, in dem dann große Namen von der Mezzosopranistin Karine Deshayes, über den Tenor Dmitry Korchak bis zu den tiefen Stimmen von Erwin Schrott und Nicola Alaimo zu erleben sind.

Jessica Pratt singt die Rolle der Bianca in Jean-Louis Grinda Inszenierung von Rossinis „Bianca e Falliero”
Jessica Pratt singt die Rolle der Bianca in Jean-Louis Grindas Inszenierung von Rossinis „Bianca e Falliero”

Lebendiger Austausch wie in der Alten Musik

Das Vermächtnis von Alberto Zedda steht aber auch für eine weitere Säule des Festivals: seine profunde wissenschaftlich Fundierung. Denn in Pesaro geht es – wie sonst nur in der Alten Musik üblich – um die Erforschung, Erfassung und Erkenntnis des authentischen Komponistenwillens. Allerdings nicht als Selbstzweck, sondern im lebendigen Austausch zwischen Musikern, Musikwissenschaftlern und Theaterpraktikern, die gemeinsam an den Werken und ihrer Umsetzung im Sinne echter musikalisch-szenischer Referenzproduktionen arbeiten. Ein Idealfall, der dann nach den im August gezeigten Inszenierungen für die Nachwelt auf DVD oder CD sowie in eigenen Editionen festgehalten wird. In Pesaro bekommt man eben den echten und den ganzen Rossini zu hören.

Die Erfolgsinszenierung von „Il barbiere di Siviglia“ ist auch 2024 beim Rossini Opera Festival Pesaro zu erleben
Die Erfolgsinszenierung von „Il barbiere di Siviglia“ ist auch 2024 beim Rossini Opera Festival Pesaro zu erleben

Zwei Neuinszenierungen werden diesmal von zwei Wiederaufnahmen flankiert. „Bianca e Falliero”, 1819 in Mailand uraufgeführt, wird Roberto Abbado mit Jessica Pratt als Bianca und in der Inszenierung von Jean-Louis Grinda dirigieren. „Ermione“ verantwortet der italienische Maestro Michele Mariotti gemeinsam mit dem deutschen Regisseur Johannes Erath. Die komischen Opern im Sommer 2024 sind in erfolgreichen Produktionen der Jahre 2018 und 2019 wiederzusehen: „Il barbiere di Siviglia“ in der Regie von Pier Luigi Pizzi, „L’equivoco stravagante“ in der Umsetzung des Duos Moshe Leiser und Patrice Caurier. Wer übrigens die sängerischen Traumensembles im schnuckeligen Teatro Rossini hören darf, dem sei für die Erfrischung in der Pause eines der besten Eiscafés Italiens empfohlen: Es liegt direkt gegenüber des 1818 erbauten Stadttheaters, das seinerzeit natürlich kein Geringerer als Rossini selbst einweihte.

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