Zu sagen, dass die Musikfestspiele Saar mehr als ein Festival sind, klingt im ersten Moment sehr pathetisch. Es stimmt dennoch. Das wird nicht nur beim Durchblättern des Programms der diesjährigen Ausgabe deutlich, sondern auch im Gespräch mit der Künstlerischen Projektleiterin und Dramaturgin der Musikfestspiele, Eva Karolina Behr, bei dem die Konzerte mit den „großen“ Künstlern zur Nebensache werden. Natürlich muss erwähnt werden, dass Gautier Capuçon und die Wiener Symphoniker das Festival eröffnen. Dass Jörg Widmann, Daniel Ottensamer, Sarah Maria Sun und die Deutsche Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern kommen. Und dass es zu Pfingsten ein Feuerwerk der Orgel geben wird sowie Händels Oratorium „Esther“ erklingt. Aber das macht eben nur einen Teil der Musikfestspiele Saar 2024 aus.
Der Fokus liegt in diesem Jahr auf Arnold Schönberg, der im September seinen 150. Geburtstag gefeiert hätte. Er sei ein „wahnsinnig vielseitiger und wichtiger Komponist“ gewesen, erklärt Eva Karolina Behr, ein Komponist, der für viele noch immer schwer zugänglich ist, dessen Musik aber quasi den Aufbruch ins 20. Jahrhundert eingeläutet habe. Damit spielt sie auf das diesjährige Festivalmotto „Aufbrüche“ an. Mit Studenten der Hochschule für Musik Saar (HfM Saar) bringt der österreichische Schauspieler Michael Rotschopf ein Programm auf die Bühne, in dem Charles Ives – der in diesem Jahr ebenfalls 150 Jahre als geworden wäre – und Arnold Schönberg zusammenkommen. „Wir sind sehr glücklich über die Zusammenarbeit mit einem so renommierten Schauspieler wie Michael Rotschopf, der durch das Programm des Abends führt, aber auch aus Tagebüchern der Komponisten vorliest und Werke von Ives und Schönberg auch sängerisch interpretiert “, erklärt Eva Karolina Behr. Schönberg habe nämlich regelmäßig über Ives geschrieben und umgekehrt. Begegnet seien sich die beiden aber nie. Die Konzeption stammt von Stefan Litwin, Professor für Neue Musik und Interpretation an der HfM Saar. Er ist am Abend auch als Pianist zu erleben, zusammen mit seinem Kollegen Mario Blaumer, Lehrbeauftragter für Streicherkammermusik an der HfM Saar und Solo-Cellist der Deutschen Radio Philharmonie.
Das Minguet Quartett und Sopranistin Marisol Montalvo widmen sich mit Werken von Schönberg und George Gershwin hingegen der besonderen Beziehung dieser beiden Komponisten, die vor allem das Tennisspiel verbunden hat, als Schönberg in die USA emigriert ist. Die Sonderausstellung „150 Jahre Arnold Schönberg“ ist ebenfalls in Kooperation mit der Hochschule für Musik Saar, der die Tochter des Komponisten Nuria Nono-Schönberg vor vielen Jahren die von ihr kuratierte Ausstellung geschenkt hat. Sie zeigt das Leben des Komponisten in Bildern.
Festivalmotto wird wörtlich genommen
Das Motto „Aufbruch“ wird bei den Musikfestspielen Saar auch ganz wörtlich genommen: „Wir versuchen unser Festivalprogramm so facettenreich wie möglich zu gestalten, um wirklich jeden mitzunehmen und bieten neben dem ,ernsten’ Konzertprogramm auch leichtere Sachen an“, sagt Eva Karolina Behr mit einem Schmunzeln. Ist diesem Jahr ist das neben einer musikalischen Zugfahrt nach Paris, einer Chanson-Bootstour auf der Grenze zwischen Deutschland und Frankreich auch ein „E-Tourbus“, der am 4. Mai beschriftet und musikalisch bespielt durch Saarbrücken fährt.
Ernster wird es hingegen bei der Zusammenarbeit mit der israelischen Sängerin Chen Reiss, die den Musikfestspielen Saar und dem Team seit mehreren Jahren künstlerisch und freundschaftlich verbunden ist. Sie hat Eva Karolina Behr und den Künstlerischen Leiter Bernhard Leonardy in diesem Jahr gebeten, die aktuelle politische Situation aufzugreifen und in mehreren Konzerten darauf aufmerksam zu machen. „Sie selbst kann leider nicht dabei sein, aber ihre Studenten werden im Rahmen des Festivals ein Konzert geben , das sich thematisch mit „Liebe in Zeiten von Krieg und Frieden beschäftigt“, erklärt Eva Karolina Behr. Außerdem widmen die Musikfestspiele Saar dem Komponisten Louis Lewandowski einen Abend mit Chor-, Instrumental- und Orgelwerken. Lewandowski war ehemals Kantor in der Synagoge zu Berlin und hat die Orgel erstmals im synagogalen Raum etabliert.
Teil des Festivals ist es, alle einzuschließen
Die Zusammenarbeit mit dem Verein „2. Chance Saarland“ ist durch die Kooperation mit der Deutschen Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern entstanden und bietet Jugendlichen die Möglichkeit, ihr musikalisches Talent auf der großen Bühne unter Beweis zu stellen. Gemeinsam mit dem Jazzmusiker Manuel Krass schreiben die jungen Musikerinnen und Musiker ihre eigenen Songs, die sie dann gemeinsam mit dem Orchester präsentieren. „Als die Idee zu dem Projekt kam, waren wir sofort bereit, unterstützend dabei zu sein. Das intensive Training, die Proben mit dem Orchester sind natürlich aufregende und nachhaltig prägende Momente für die Jugendlichen“, sagt Eva Karolina Behr.
Ganz entspannt und lustig hingegen geht es bei den Tanzabenden unter dem Motto „Darf ich bitten…? Allons danser…!“ zu. Kostenlos und ohne Anmeldung können alle Saarländer und Besucher zu amerikanischem Swing und Wiener Walzer das Tanzbein schwingen. Die Idee dahinter sei, als Landes- und Stadtfestival sichtbar zu sein, erklärt Eva Karolina Behr. „Wir möchten allen Generationen die Möglichkeit bieten, an unserem Festival teilzunehmen und hören vermehrt, dass Menschen, die durch solche Formate auf uns aufmerksam geworden sind, hinterher auch zu einem Konzert gekommen sind.“ Das sei eines der Hauptziele der Musikfestspiele, was sich auch in den niedrigen Ticketpreisen widerspiegelt. Eine Sozialkarte soll ihr Übriges dabei tun. „Natürlich ist es und wichtig, tolle Künstler und spannende Konzertprogramme zu präsentieren“, resümiert die Dramaturgin. „Aber ein Teil unseres Festivals soll eben auch sein, alle einzuschließen, Teil der Gesellschaft zu werden und die Menschen dazu einzuladen, Musik zu erleben oder ganz einfach zu tanzen.“