Europas Kunstfestival nennt es sich auch, und dieses Jahr kann das Lausitz Festival seine grenzüberschreitende Kraft wieder voll entfalten. Mit anderen pandemischen Voraussetzungen können Veranstaltungen nicht nur in Cunewalde, Forst oder Weißwasser stattfinden, sondern auch im Nationalen Musikforum in Wroclaw, in der Gedenkstätte Zgorzelec oder der Klosterruine Oybin an der tschechischen Grenze. Jeder dieser Orte ist eine Entdeckung für sich, das Lausitz Festival bietet mit seinem breitgefächerten Programm viele zusätzliche Anlässe, in dieses Stück Europa zu reisen. In der Lausitz gibt es Naherholungsgebiete zwischen Parks und Schlössern, unentdeckte Stadtschönheiten und konstruktiven Strukturwandel zu erleben. Um diese heterogene Region kennenzulernen und mit hochkarätigen Kulturveranstaltungen zu verbinden, lädt das Lausitz Festival vom 25. August bis zum 16. September 2022 zum dritten Mal ein. In Cottbus, Görlitz, Hoyerswerda und der größten Dorfkirche Europas in Cunewalde mit 1700 Plätzen locken große Namen der klassischen Musik und des Jazz, ebenso wie Ausstellungen, Bühnen-Ereignisse, Literatur- und Gesprächsformate. An fünfundzwanzig Orten mit knapp fünfzig Veranstaltungen treffen sich 550 Ausführende mit Lausitzern und Gästen, um gemeinsam wieder live Kunst zu erleben.
Aufbruch zum Miteinander
Dieses Jahr steht das Lausitz Festival unter dem Motto „aufBruch” und wird den vielfachen Aspekten von Abschied und Anfang sinnlich nachspüren. Die Ausstellung „Aufruhr.Fragemente” zeigt verschiedene künstlerische Arbeiten zum Thema, die aus der Schenkung Sammlung Hoffmann, dem Kunstfonds des Freistaates Sachsen, der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden sowie dem Brandenburgischen Landesmuseum für moderne Kunst zusammengestellt wurden. Martha Argerich, Mischa Maisky, John Zorn und Il Giardino Armonico garantieren das künstlerisch hohe Niveau der Konzerte. André Schuen, Barbara Hannigan und Christiane Karg bestreiten die hochkarätigen Liederabende. Zu entdecken ist hier der gebürtige Warschauer Tomasz Konieczny, der Mahlers „Kindertotenlieder” mit Liedern des zeitgenössischen Komponisten Aleksander Nowak nach polnischen Gedichten von Krzysztof Kamil Baczynski, spätromantischen Liedern Mykola Lyssenkos und Liedern von Tadeusz Baird nach Shakespeare-Sonetten zusammengestellt hat. Programm wie Veranstaltungsort an der Grenze zu Polen, das Schloss Bad Muskau, sind ein besonderer Brückenschlag zwischen den Nachbarländern.
Und von diesen Begegnungen auf künstlerischer und persönlicher Ebene gibt es noch mehr. Bei einem Liederabend in Görlitz wird Barbara Hannigan eine Weltpremiere aus der Taufe heben. Der New Yorker Komponist John Zorn hat eigens für das Lausitz Festival das Werk „Star Catcher” („Sternenfängerin”) für Sopran, Klavier und improvisierende Rhythmus-Gruppe geschrieben, das vom gleichnamigen Gemälde der surrealistischen Künstlerin Remedios Varo inspiriert ist. Erstmals seit ihrer Gründung kommen Bundesjugendchor und Nationaler Jugendchor Polens in Gemeinschaftskonzerten zusammen. Auf dem Programm stehen Werke junger polnischer Komponistinnen und Komponisten, die unter anderem ein Schlaglicht auf das Thema Umwelt und Klima werfen.
Bühnen allerorten
Drei große Bühnenproduktionen locken Theaterhungrige in die Region. Shakespeares „Caesar” findet im Telux-Gelände in Weißwasser eine spektakuläre Kulisse. Ein regionales Thema greift die Produktion „Der Nix – Tanz mit dem Wassermann” auf. Als magische Figur des Wassers ist der Nix in der Ober- und Niederlausitz mit ihren Flüssen, Bächen, Gräben und Mooren allgegenwärtig. Das Stück, das in deutscher und sorbischer Sprache erzählt wird, streift die Grenzen zum Musiktheater, indem es typisch sorbische Instrumente wie den Dudelsack und dreisaitige Geigen einbezieht.
Ein außergewöhnliches Musiktheater-Projekt entstand in Kooperation mit dem Staatstheater Cottbus: „Im Berg” von Armin Petras. Der Autor Franz Fühmann begab sich für sein umfassendes Buchprojekt „Im Berg” Mitte der 1970er-Jahre unter Tage. Das Leben der Minenarbeiter im Mansfelder Land – und sein eigenes – sollte zu seinem nächsten Romanthema werden. Fühmann war als Verfasser von Kinderbüchern, Essays und Nachdichtungen zunächst Vorstandsmitglied des DDR-Schriftstellerverbandes, zog sich später mehr und mehr von der offiziellen Linie zurück. Armin Petras, Autor, Regisseur und Co-Schauspieldirektor am Staatstheater Cottbus, formte aus diesem Recherche-Fragment zusammen mit dem Komponisten-Duo Thomas Kürstner und Sebastian Vogel ein modernes Musiktheater, das in Kooperation mit dem Lausitz Festival am Staatstheater Cottbus Premiere haben wird. Licht- und Video-Kunst, acht Schauspielerinnen und Schauspieler des Ensembles am Staatstheater, dessen Orchester und Männerchor machen das Künstlerdrama zum Multi-Sparten-Projekt, das sich vor dem Hintergrund der DDR der 1970er-Jahre die grundsätzliche Frage nach der Bedeutung menschlicher und materieller Ressourcen stellt.
Künstlerisches Selbstverständnis
Das maßgeblich aus Bundesmitteln finanzierte Festival bringt die Nieder- und Oberlausitz in performativen Austausch mit der Welt, um ein Europa von Morgen zu formen. Grundfragen der europäischen Kultur sollen künstlerisch reflektiert werden in einer Region, die wie keine andere für ein nachbarschaftlich-völkerverbindende Miteinander steht.
An außergewöhnlichen Orten dem Außergewöhnlichen nachzuspüren – der Kunst mit allen ihren Facetten – dazu lädt das Lausitz Festival ein.