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Das Kunstfest Weimar praktiziert lebendige Streitkultur

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  • Das Kunstfest Weimar praktiziert lebendige Streitkultur

Kunstfest Weimar 2024

Unter dem Motto „Wofür wir kämpfen“ lädt das Kunstfest Weimar vom 21. August bis zum 8. September 2024 zum internationalen Dialog.



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Weimar ist idyllische Klassikerstadt und ein Seismograf des Politikgeschehens. Bereits Herzogin Anna Amalia agierte nach dem Motto „Arm, aber sexy!“. Sexy waren für die intellektuelle Muse der Goethezeit in erster Linie Geistesgrößen. Die imposante Dichte kultureller Einrichtungen und Veranstaltungen in der 65.000-Einwohner-Stadt ist seither stabil. Auch als Kulturort des vereinten Deutschlands und Gründungsort der Weimarer Republik fasziniert Weimar bis heute.

Unter der Leitung von Rolf C. Hemke verdichten sich Themen des Kunstfest Weimar parallel zur Erhitzung durch Krieg, Verfolgung, Migration, Ausbeutung und Zerstörung. Mit erhöhter Brisanz. Mitten im Kunstfest finden am 1. September 2024 die Thüringer Landtagswahlen statt. „Das gibt den Takt für das diesjährige Festival vor. Das Kunstfest Weimar hat sich immer – im besten Sinne – politisch verstanden und verhalten, sich eingemischt und mitgeredet“, sagt Hemke. Progressive Kunstformen und diskursive Energien, schöne Orte und bittere Einsichten, Medialität und Medienkritik bündeln sich im Kunstfest Weimar zum Appetizer, der Hunger macht und keine Sättigung bringt. Immer wieder ging es um Themen wie Kobalt-Förderung in Afrika und die evolutionäre Funktion des Anthropozäns für das Artensterben. Der Theaterplatz mit den Sonnenstühlen um das Goethe-Schiller-Denkmal ist auch diesen Sommer der Startpunkt für 48 Kunstfest-Projekte an pittoresken und beklemmenden Schauplätzen.

Ute Lemper blickt mit ihrem Programm „Die Zeitreisende“ auf 40 Bühnenjahre zurück
Ute Lemper blickt mit ihrem Programm „Die Zeitreisende“ auf 40 Bühnenjahre zurück

Die universelle Sprache der Kunst

„Seit vielen Jahren war unsere Arbeit unmittelbar mit Weimar verbunden, mit der Erforschung von Schicksalen der ehemaligen Häftlinge von Buchenwald, Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen, der deutschen Häftlinge der NKWD-Speziallager“, sagt Kunstfest-Schirmherrin Irina Scherbakowa. Sie erhielt am 10. Dezember 2022 den Weimarer Menschenrechtspreis und parallel den Friedensnobelpreis. Die von ihr kuratierte Wanderausstellung „Das andere Russland“ dokumentiert die Geschichte der 1989 in der Sowjetunion gegründeten Menschenrechtsorganisation Memorial, deren Vorsitzende Irina Scherbakowa ist, und ihrer behördlichen Auflösung durch das Putin-Regime 2022. Das Kunstfest-Motto „Wofür wir kämpfen“ lädt zum internationalen Dialog und ist Projekttitel der hochkarätig besetzten Kunstfest-Diskursreihe von Volkhard Knigge. „Das Festival wird erneut zu einer Plattform, auf der essenzielle Fragen unserer Zeit durch die universelle Sprache der Kunst verhandelt werden“, bestätigt Prof. Dr. Benjamin-Immanuel Hoff, Thüringer Minister für Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten, dem Kunstfest, das ab dem Jahr 2025 vom Land Thüringen und der Stadt Weimar insgesamt 200.000 Euro mehr Förderung erhalten wird.

Mindestens drei Konzerte stehen für diese Ideale: Das Gedächtnis-Buchenwald-Konzert mit dem im deutschen Exil beheimateten Sinfonieorchester Kiew unter Leitung der ukrainischen Star-Dirigentin Oxana Lyniv bezieht sich am 21. August auf die Lage in Osteuropa. Als deutsche Erstaufführung erklingt das Konzert für Geige, Sprecher und Orchester des ukrainischen Komponisten Evgeni Orkin nach „Todesfuge“ von Paul Celan (1944/45). Darauf folgt in der Herderkirche das Requiem von Mozart. Am 23. August 2024 kehrt Stewart Copeland, Schlagzeuger und Gründer von The Police, mit dem Philharmonischen Orchester Altenburg Gera zurück. Martin Kohlstedt, Absolvent der Bauhaus-Universität, ist ein lokaler Held Weimars. Der Komponist, Pianist und Produzent für instrumentale Musik und Electronica schart in der Herderkirche am 29. August ein Publikum aus Hoch- und Clubkultur um sich. Und Ute Lemper überdenkt am 8. September im Deutschen Nationaltheater in ihrem neuen Programm „Die Zeitreisende“ vierzig Bühnenjahre.

Lokaler Held Weimars: Martin Kohlstedt
Lokaler Held Weimars: Martin Kohlstedt

Oper als Straßenkunst

Zur Eröffnung am 21. August seziert die Leipziger Tanzkompanie Forward Dance auf dem Theaterplatz „Carmina Burana“, das Hauptwerk des in seiner Haltung zum NS-Regime äußerst umstrittenen Carl Orff, mit Tanz und elektro-akustischer Übermalung. In zwei Programmen ist der Sänger, Regisseur und Autor Schorsch Kamerun zu erleben. Am 23. August startet er das 14-tägige Überprüfungs-Cabaret „Bevor wir kippen“ mit „überflüssigen Ausdrucksformen“. Einen Tag vor der Thüringer Landtagswahl wird Kamerun am 31. August mit Sandra Hüller, René Marik und Gästen in „Come as You Are“ ein kla-res Zeichen gegen gesellschaftliche Spaltung und den Verlust von gegenseitiger Empathie setzen.

Die beim Kunstfest bekannte Musiktheater-Kompanie Novoflot widmet sich mit einer Überschreibung Arnold Schönbergs erschütterndem Melodram „Ein Überlebender aus Warschau“. Max Czollek schrieb das Libretto für den Komponisten Michael Wertmüller, der vor dem Hintergrund von Kriegs- und Vertreibungsszenarien ein Hybrid zwischen Oper, Performance, Installation, Jazz-Gig und Konzert entwickelte. Die Präsentation von Kurzopern im öffentlichen Raum erfährt nach dem Kunstfest 2020 eine Fortsetzung mit „Trilogie der verbrannten Erde“, drei satirischen Filmen auf einer Wand mit Kopfhörern für das Publikum. Die klangsinnlichen Arbeiten des irischen Kollektivs Dumbworld thematisieren Klimawandel, Umweltverschmutzung und Konsumverhalten. Dumbworld versteht Oper – wie schon beim Zyklus „Wegwerfopern“ 2020 – als Straßenkunst.

Stewart Copeland (hier am Pult) ist Schlagzeuger und Gründer von The Police
Stewart Copeland (hier am Pult) ist Schlagzeuger und Gründer von The Police

Auch Dumbworld und Schorsch Kamerun bestätigen das Kunstfest Weimar als Kontinuum streitbarer Menschlichkeit. Mit der Tendenz zu Kurzformen und Hybridformaten ist dieses ein Relevanz-Motor von packenden, kurzweiligen und mitunter rauschhaft schönen Ausdrucksmitteln.

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