Ein Opernhaus steht in Europas höchstgelegener Stadt mitnichten. Doch ungewöhnliche Spielstätten, die Musik unmittelbar anregen, gibt es viele – vom Kirchner Museum Davos bis zur Hotelhalle der Schatzalp, die Thomas Mann zur Kulisse seines Romans „Der Zauberberg“ wurde – jener großen Oper der Weltliteratur. Ob das Publikum nun den von allerhand hochtrabenden Thomas Mann-Zitaten gerahmten Wanderweg emporschreitet oder aber die nur wenige Minuten benötigende Schatzalpbahn nutzt, um hinaufzugelangen, bleibt den Musiktheaterbegeisterten selbst überlassen.
Just hier oben im historischen Ambiente des vom Sanatorium zum Hotel transformierten Jugendstiljuwels bringt nun das DAVOS FESTIVAL am 16. August eine Oper zur Aufführung: Francis Poulencs „La voix humaine“. Die hat mit der französischen Sopranistin Hélène Walter und dem Kölner Pianisten Dominic Chamot eine angemessen überschaubare Besetzung, Hélène Schweitzer setzt die Monooper in Szene. In ihr wird ein Telefonanruf mehrmals unterbrochen, die Leitung muss immer wieder neu hergestellt werden. Ein Phänomen, das wir heutzutage nur noch von Zugfahrten im alpinen Raum kennen. Selten hört man einem Telefongespräch so gebannt zu wie in dieser Oper für eine einzige Protagonistin. Was der Geliebte am anderen Ende der Leitung erzählt, lässt sich nur erahnen. Dass es dabei nicht gerade um die Einkaufsliste fürs gemeinsame Abendessen geht, ist vom ersten Moment an klar. Das emotionale Wechselbad, das die Sängerin durchlebt, lässt sich an den Wandlungen ihrer vokalen Äußerungen und Entäußerungen direkt ablesen. Poulencs schreibt das klingende Psychogramm einer Liebenden.