Ein Leben ohne Klavier ist möglich, aber sinnlos, mag sich Frédéric Chopin gedacht haben. Feststeht, dass der gebürtige Pole als Erster in der Musikgeschichte ausschließlich für dieses Instrument komponiert hat und wie kein Zweiter die technischen Neuerungen im Klavierbau, allen voran aus den Pariser Manufakturen von Camille Pleyel und Sébastien Érard, für seine expressive Musik zu nutzen wusste. Das Chopin Festival Hamburg lässt seine Besucher in acht Veranstaltungen die Klangwelten jener historischen Tasteninstrumente im Vergleich mit modernen Flügeln erleben. Wie in den Vorjahren kooperiert man dabei mit dem Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe, das drei authentische Instrumente aus dem 19. Jahrhundert für die Konzerte zur Verfügung stellt, darunter einen Pleyel-Flügel von 1847, auf dem Chopin selbst in Paris musiziert haben könnte.
Chopin Festival lotet die Wechselwirkungen mit Brahms aus
Im Fokus der fünften Festivaledition steht Johannes Brahms, dessen Werke unter anderem auf einem Steinway & Sons von 1872 und einem gegenwärtigen Konzertflügel von Shigeru Kawai erklingen. In der Salonatmosphäre des Spiegelsaals imaginiert Solist Matthias Kirschnereit (5.10., 19 Uhr) eine Begegnung zwischen den beiden Romantikern und stellt Chopins b-Moll-Scherzo Brahms’ berühmtem Walzer op. 39 und der dritten Klaviersonate gegenüber. Der ukrainische Pianist Artem Yasynskyy (6.10., 19 Uhr) lässt mit Domenico Scarlatti und Johann Sebastian Bach geistige Vorbilder des Namensgebers aufleuchten, zeigt in den Paganini-Variationen die hochvirtuose Seite des Hamburger Komponisten und steuert eigene Improvisationen über Mazurken und Nocturnes bei. Die Klavierabende im Museum beschließt Alexei Lubimov (10.10., 19:30 Uhr), Gründer der Abteilung für historische Aufführungspraxis am Moskauer Konservatorium, mit einem schillernden Programm, das von Schuberts Impromptus bis Silvestrovs Kitsch-Musik reicht. Nur in diesem Konzert ist der Hammerflügel von Joseph Brodmann zu hören. Das um 1815 in Wien gebaute Instrument verfügt über einen Fagottzug, der, betätigt, für einen einzigartig sprechenden Klang sorgt.
Neben arrivierten Pianistinnen und Pianisten will die veranstaltende Chopin-Gesellschaft Hamburg & Sachsenwald e.V. auch talentierten Nachwuchskünstlern eine Bühne bieten. Im Rittelmeyer-Saal kontrastiert der 21-jährige Gevorg Matinyan (7.10., 19 Uhr) Volkslieder aus seinem Geburtsland Armenien mit Werken von Skrjabin und Liszt. Meisterkurse von Stefania Neonato (7.10., 10:30 Uhr), Professorin für Hammerklavier an der HfMDK Stuttgart, und Joanna Ławrynowicz-Just (8.10., 10 Uhr) von der Chopin-Musikuniversität Warschau runden das Programm für Studierende der hiesigen Musikhochschule ab.
Vortragskonzert über Chopin in Deutschland
Warschau, Paris und Mallorca sind Orte, die gemeinhin mit der Biografie Chopins in Verbindung gebracht werden. Dabei reiste der polnische Nationalkomponist auch regelmäßig nach Deutschland, pflegte freundschaftliche Beziehungen zu zahlreichen Musikern wie Felix Mendelssohn, Ferdinand Hiller, Robert Schumann oder Clara Wieck, der „einzigen Frau in Deutschland, die meine Werke zu spielen versteht“. Über dieses „besondere Verhältnis“ zwischen Chopin und Deutschland referiert der künstlerische Leiter des Chopin-Festivals Nohant, Adam Wibrowski, in der Residenz des polnischen Generalkonsuls (9.10., 19 Uhr). Am Klavier begleitet ihn Mateusz Dubiel.
Zum Abschluss des Festivals laden Intendant Hubert Rutkowski und die Musiker des Elphier-Quartetts erstmals in die Elbphilharmonie (11.10., 19:30 Uhr, Tickets sind hier erhältlich). Chopin sucht man auf dem Programm vergebens, dafür ist mit Juliusz Zarębskis Klavierquintett g-Moll eine Klangperle der polnischen Kammermusik zu erleben, die erst 2011 von Martha Argerich wiederentdeckt wurde. Fortschrittliche Harmonik und Mut zu ungewohnten Rhythmen zeichnen das Stück des Liszt-Schülers aus. Kontrastiert wird es mit dem Klavierquintett von Johannes Brahms.