Mit welcher Vision sind Sie als neue Intendantin nach Bregenz gekommen?
Lilli Paasikivi: Die Bregenzer Festspiele sind ein Multi-Art-Form-Festival, das ein spannendes Programm auf höchstem Niveau bietet. Ich möchte ein Festspielprogramm präsentieren, das eine Vielfalt an unterschiedlichen Produktionen bietet, die ein breites Publikum ansprechen. Der Schwerpunkt liegt auf Vokalkunst und Musiktheater, aber ich freue mich sehr, dass auch führende Kulturinstitutionen wie die Wiener Symphoniker und das Burgtheater eine wichtige Rolle bei den Bregenzer Festspielen spielen. Ich möchte Projekte kreieren, in denen sich verschiedene Kunstformen in einem interessanten Dialog begegnen können.
Wofür stehen die Bregenzer Festspiele 2025? Hatten Sie in Ihrer ersten Spielzeit bereits die Möglichkeit, das Festival mit Ihrer eigenen Handschrift zu versehen?
Paasikivi: Die Seebühneninszenierung von „Der Freischütz“, die zwei Jahre hintereinander gezeigt wird, ist sozusagen ein „Erbe“ der vorherigen Intendantin Elisabeth Sobotka. Das restliche Festspielprogramm wurde von mir kuratiert. Ich hatte die Möglichkeit, ein Programm zu gestalten, das sehr stark meine künstlerische DNA repräsentiert, mit starken nordischen Komponenten.
Woher kam die Idee zur eröffnenden, selten gehörten Enescu-Oper „Œdipe“?
Paasikivi: Als ich zur Intendantin berufen wurde, habe ich den Wunsch geäußert, als Oper im Festspielhaus selten gespielte Meisterwerke des 20. Jahrhunderts zu präsentieren: ein Gegengewicht zu den populären und bekannten Titeln auf der Seebühne. Enescus „Œdipe“ ist ein expressives, farbenprächtiges Musikdrama von großer Wucht: Sophokles› monumentale Tragödie behandelt die ewig aktuellen Themen von Schuld, Schicksal und individueller Verantwortung. „Œdipe“ ist ein eindringlicher Abend von packender musikalischer Dramatik, dargeboten von hochkarätigen Künstler:innen.
Was unterscheidet die Bregenzer Festspiele von anderen Opernfestivals
Paasikivi: Die außergewöhnlichen Opernproduktionen auf der Seebühne machen uns zu einer Klasse für sich. Was in Bregenz geboten wird, ist einzigartig. Oper unter freiem Himmel, immer im Dialog mit der spektakulären Naturkulisse. Unser hochqualifiziertes Team erarbeitet alle zwei Jahre eine Produktion, die ein großes Publikum erreicht. Es freut mich sehr, dass wir mit dem Spiel auf dem See viele Menschen ansprechen, die zum ersten Mal in die Oper gehen und die – so hoffe ich – nach dem Besuch der Bregenzer Festspiele zu neuen Opernliebhabern werden.
Wie erleben Sie die Atmosphäre in Bregenz – Stadt, See, Bühne, Publikum?
Paasikivi: Ich liebe die sommerliche Festivalstimmung! Menschen von nah und fern genießen die pulsierende Atmosphäre in Bregenz, und man spürt deutlich, wie wichtig das Festival für die Menschen vor Ort und für den Tourismus ist. Bregenz ist geprägt von dieser großen Zahl internationaler Kulturbesucher:innen. Die Bregenzer Festspiele sind ein Festival für alle – jeder ist willkommen!
Sie selbst sind eine renommierte Opernsängerin. Inwiefern ist Ihnen die Bühnenerfahrung auch bei der Arbeit als Festivalleiterin von Nutzen?
Paasikivi: Meine lange Karriere als Sängerin ermöglicht mir einen großartigen Einblick in den gesamten Kreativprozess. Als darstellende Künstlerin habe ich eine große Leidenschaft für die Oper als Kunstform – eine Leidenschaft, die mich in meinem jetzigen Beruf sehr motiviert. Wir sind hier, um dem Publikum zu dienen und ihm ein bereicherndes und spannendes Kulturerlebnis zu bieten.