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Kleine Schritte, große Wirkung

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  • Kleine Schritte, große Wirkung

Acht Brücken. Musik für Köln 2024

Musik der Gegenwart in allen klanglichen Farben und Formen bietet das Festival „Acht Brücken“ in Köln vom 4. bis 12. Mai. Neben renommierten Gästen der Neue-Musik-Szene steht in diesem Jahr das Schaffen von Porträtkomponist Enno Poppe im Fokus der rund fünfzig Festivalkonzerte.



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Häufig sind es gar nicht die harten, grellen Kontraste, sondern vielmehr die feinen Nuancen und kleinen Differenzen, die den entscheidenden Ausschlag geben. Sei es bei uns Menschen, unserer Individualität und Kultur, sei es beim Ursprung allen Lebens, oder in der Musik, wo jede noch so kleine Veränderung etwas völlig Neues entstehen lassen kann. Diese „Feinen Unterschiede“ hat sich das Kölner Festival Acht Brücken zum Motto gemacht. Bereits zum vierzehnten Mal bringt das Festival mit einem genreübergreifenden, vielfältigen Programm die Musik der Gegenwart in die Stadt – und konzentriert sich dabei buchstäblich auf die ganz kleinen Schritte.

Mikrotonale Musik arbeitet mit Intervallen, die kleiner sind als ein Halbtonabstand. Was in anderen Teilen der Welt seit Jahrhunderten fester Bestandteil der Musiktradition ist, kommt hierzulande noch immer einem Kuriosum jenseits unserer Hörgewohnheiten gleich. Zwar kann nach dem aktuellen Stand der Forschung das menschliche Gehör rund 400.000 Töne unterscheiden. Dennoch spielt sich der Großteil der europäischen Musik noch immer über die 87 Halbtöne ab, die sich auf die 88 Tasten eines Klaviers verteilen. Da gibt es also deutlich mehr Möglichkeiten.

„Feine Unterschiede“ lautet das diesjährige Motto des Festivals Acht Brücken
„Feine Unterschiede“ lautet das diesjährige Motto des Festivals Acht Brücken

Zwei Uraufführungen von Enno Poppe an einem Tag

Das findet auch Enno Poppe, einer der wichtigsten Komponisten Neuer Musik in Deutschland, inständiger Verfechter der Mikrotonalität und diesjähriger Porträtkomponist bei Acht Brücken. Insgesamt zehn Werke aus seiner Feder kommen während der neun Festivaltage zu Gehör, darunter auch die abendfüllenden Werke „Prozession“ mit dem Ensemble Musikfabrik (5.5.) sowie „Speicher“ mit dem EnsembleKollektiv Berlin (6.5.), die unter idealen Klangbedingungen in der Kölner Philharmonie ertönen. An beiden Abenden stehen die Ensembles unter der Leitung des Komponisten. Eine audiovisuelle Installation, basierend auf Poppes Komposition „Wald“, ermutigt neugierige Festivalgäste zudem zu außergewöhnlichen Raum-Klang-Erfahrungen in der Kölner Zentralbibliothek.

Auch zwei neu komponierte Werke von Enno Poppe erleben ihre Uraufführung: Am letzten Festivaltag hebt morgens das Gürzenich-Orchester Köln unter Leitung von François-Xavier Roth in der Philharmonie Enno Poppes „Strom“ aus der Taufe, kombiniert bzw. kontrastiert mit Werken von Haydn und Mozart. Gesangssolistin ist hier die Mezzosopranistin Anna Lucia Richter. Nur wenige Stunden später realisiert das Ensemble Recherche „Laub“ in der Wolkenburg (12.5.).

Hebt mit dem Gürzenich-Orchester Köln Enno Poppes „Strom“ aus der Taufe
Hebt mit dem Gürzenich-Orchester Köln Enno Poppes „Strom“ aus der Taufe

Spektakulär splitternde Eröffnung

Insgesamt stehen achtzehn Uraufführungen bei Acht Brücken auf dem Programm. Die meisten davon wurden direkt vom Festival in Auftrag gegeben. Unter den Komponisten sind neben Enno Poppe weitere renommierte Namen der Neuen Musikszene vertreten: Clara Iannottas „the purple fuchsia bled upon the ground“ und Miroslav Srnkas „Is This Us?“ erklingen erstmals beim großen Abschlusskonzert in der Philharmonie am 12. Mai, hochkarätig besetzt mit dem WDR Sinfonieorchester unter Elena Schwarz sowie Pianist Pierre-Laurent Aimard und Sopranistin Sarah Maria Sun in den Soloparts. Weitere Neuschöpfungen von Clara Iannotta („a blur of fur and bone i–iii“) sind zudem am 9. Mai im Filmforum zu erleben. Doch auch junge internationale Nachwuchskomponistinnen und -komponisten wie Carlie Schoonees, Carmen Pomet, Simon Rummel oder Po-Chien Liu bekommen bei Acht Brücken die Chance, sich mit ihren neuen Werken zu präsentieren und profilieren. 

Die spektakuläre, splitternde Festivaleröffnung am 4. Mai obliegt dem Ensemble consord. Enno Poppes „Scherben“ steht hier im direkten Vergleich mit der Klangsprache der iranischen Komponistin Elnaz Seyedi („frames 1“), umrahmt von Werken Joanna Woznys („dià / trans“) aus Polen und des Italieners Giacinto Scelsi („Riti: I funerali d‘Alessandro Magno“).

Das Ensemble Musikfabrik taucht mit „Mahābhārata“ in einen altindischen Schöpfungsmythos ein
Das Ensemble Musikfabrik taucht mit „Mahābhārata“ in einen altindischen Schöpfungsmythos ein

Über den europäischen Tellerrand hinaus

So international und interkontinental wurden die Acht Brücken zuvor noch nie geschlagen. Gleich vier verschiedene Programme aus dem türkischen Raum entführen in östliche Klangwelten. Ein besonderes Highlight ist dabei sicherlich das Konzert mit dem Bağlama-Virtuosen, Sänger und Komponisten Kemal Dinç, der in der Philharmonie seine musiktraditionsübergreifende Neuschöpfung „Palimpsest“ enthüllt (9.5). Die Band Danûk widmet sich vergessenen Liedern aus Kurdistan (4.5.), neue kretische Kompositionen und Traditionals sind mit dem Stelios Petrakis Quartet im Stadtgarten zu Gast (11.5.). Rund um südindische Musiktraditionen ranken sich zwei Abende des WDR: Der italienische Komponist Riccardo Nova hat mit „Mahabharata“ einen altindischen Schöpfungsmythos vertont, interpretiert vom Trio Swaralayaamaaya (10.5.) und dem Ensemble Musikfabrik (12.5).

Mit dem Fokus auf Mikrotonalität öffnet sich der Blick über den Tellerrand des europäischen Tonsystems hinaus. Wer hätte gedacht, dass solch kleine (Ton-)Schritte eine so große Wirkung mit sich bringen, diese „Feinen Unterschiede“ unsere Perspektive, Hörgewohnheit und -horizont so sehr erweitern können? Bei Acht Brücken ist das alles möglich.

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