„Menschen gehen wegen Menschen ins Theater“, betonte Peter Carp letztes Jahr, als er seine erste Spielzeit als neuer Intendant am Theater Freiburg vorstellte. Nach seiner Meinung sollte ein Programm weder aus politischen Überlegungen noch aus theoretischen Konzepten heraus gestaltet werden. Für ihn steht der Mensch im Mittelpunkt des theatralen Geschehens. Jenseits von allen Sparten setzten Peter Carp und sein Team vor allem auf Vielfalt und Internationalität.
Kein Wunder also, dass vom 5. bis zum 8. Juli das junge, aus Norwegen stammende und aus Szenografen sowie Performern bestehende Kollektiv Live-Art-Kollektiv by Proxy das Publikum dazu einlädt, Oper nach ihren eigenen Wünschen zu gestalten. „Volksoper“ nennen sie das viertägige Happening, bei der das Theater Freiburg zum Nachtclub, zum Bingo-Spielzimmer oder zum Tatort wird. Auch brisante Themen werden während der „Volksoper-Residency“ in einem Workshop behandelt. Gemeinsam mit jungen Künstlern wird by Proxy neue Formen der Operninszenierung erarbeiten. Dabei wird unter anderem auch der aktuelle Status von Frauen in der Opernwelt unter die Lupe genommen.
by Proxy versetzt sein Opernpublikum in einen Wachtraum
Passend dazu wird ein Teil aus Mareike Dobewall Opern-Installation „Schnitzler’s Dreams“ aufgeführt. Die Regisseurin und Bühnenbildnerin hat eine Art Wachtraum für das Opernpublikum geschaffen. Arthur Schnitzler, der Schriftsteller und Arzt war und für den den vor allem die Psychoanalyse eine wichtige Rolle spielte, schrieb 56 Jahre lang seine Träume nieder. Diese Traumnotizen dienten zusammen mit Figuren aus weiteren Texten als Inspirationsquelle für Dobewalls Werk. Die Charaktere und ihre inneren Konflikte wurden aus ihren Geschichten extrahiert und mit Arien kombiniert, zu denen das Publikum von einem Raum zum nächsten wandeln soll. In Freiburg steht die Figur Genia aus Schnitzlers Tragikomödie „Das weite Land“ aus dem Jahr 1911 im Mittelpunkt. Die Musik wurde von der estnischen Komponistin Evelin Seppar speziell für diese Inszenierung neu arrangiert.
Scheinbar Widersprüchliches verbindet auch das Konzert „Ancient Hits and Modern Classics“. Da werden Arien von der amerikanischen R&B-Girlgroup „Destiny’s Child“ geschmettert und elektronische Beats von Mozart an die Oberfläche gekehrt – alles in lässig-entspannter Party-Atmosphäre. Wer hingegen mehr Dramatik braucht und wem der allwöchentliche Tatort noch nicht genug ist, der erlebt am Samstag einen Abend voll mit Erstochenen, Selbstmörderinnen und Erwürgten, mit multiplen Todesarten, Blut und Gift: „It is not over until the soprano dies“ – Sterbearien werden zum Abschied geschmettert, ehe die „Volksoper“ mit einer Abschluss-Party am Sonntag das Leben feiert.
Die Festivaldaten im Überblick:
„Volksoper“ by Proxy
Ein experimentelles Pop-up-Opernfestival drinnen und draußen
5.-8.7.2018
Freiburg