Noch wurde keine Sage über den Riesen, das Wasser speiende Ungeheuer von Wattenserdacht, das vor der malerischen Kulisse der Tiroler Berge auf einem saftig-grünen Hügel liegt und mit eigenem Leib über seinen Schatz wacht: seinen 16 fantastischen Wunderkammern aus Licht und Farbe. Hunderttausende Besucher tauchen Jahr für Jahr in seine sagenhafte Welt ein, wandeln durch die „Eisgasse“, die jede Fußspur aufleuchten lässt, hören aus der Wunderkammer nebenan die fast schon ätherische Stimme von Jessye Norman, die vor einem riesigen, natürlich gewachsenen Bergkristall aus Madagaskar „Thy hand, Belinda“ aus „Dido and Aeneas“ von Henry Purcell singt.
Verliebte Paare wird es in den Kristalldomziehen, wo man sich unter den 595 Spiegeln der Kuppel das Jawort geben kann. Andere können den Blick nicht mehr abwenden vom „Silent Light“-Baum, einer Tanne, an der 150.000 Kristalle glitzern. Ans Goldene Dachl im zwanzig Kilometer entfernten Innsbruck, dem spätgotischen Prunkerker mit 2.657 feuervergoldeten Kupferschindeln, mag die Pracht der Kristallwelten vielleicht nicht heranreichen; dafür wird sie mindestens genauso oft fotografiert, besonders von den asiatischen Touristen.
Musik im Riesen mit Ehrengast Philip Glass
Kreiert wurde diese phantastische Kristallmenagerie, die Kunst, Kommerz, Kitsch und feinstes Kunsthandwerk aufs Beste verbindet, vor zwanzig Jahren von André Heller. Zum hundertjährigen Jubiläum des Swarovski-Imperiums bescherte der österreichische Aktions- und Medienkünstler dem böhmischen Kristallglas-Hersteller Daniel Swarovski, der 1895 in Wattens seine Firma gründete, seine „Kristallwelten“. Anlässlich des 120-jährigen Bestehens wurde das Areal um einen Garten erweitert, um dem anwachsenden Besucherstrom gerecht zu werden.
Ende Mai werden die „Kristallwelten“ zu Klangwelten: Dann findet im Riesen ein Kammermusikfestival statt, das sich mit anspruchsvollem Repertoire und international renommierten Ensembles gut behauptet zwischen den Schlager-Events im Hochgebirge, den ambitionierten Angeboten mit Alter Musik in Innsbruck und den „Klangspuren“, dem Tiroler Festival für Neue Musik in Schwaz. Geleitet wird die Musik im Riesen von dem Pianisten, Komponisten und Dirigenten Thomas Larcher. Ehrengast der Kammermusikwoche 2018 ist Philip Glass. In der Manufaktur des Swarovski Werks I wird der 81-jährige Komponist einen Einblick in sein Schaffen geben und auch als Interpret auftreten. Neben Klavierkompositionen für ein bis vier Klaviere wird sein „Tirol Concerto“ zu hören sein, welches vielen als TV-Jingle und Kinospot aus der Tirol-Werbung bekannt sein dürfte.
„Musik ist ein Ort“
„Der Komponist, der Tirol Flügel verlieh“, schrieb seinerzeit die Tiroler Zeitung. Interpretiert wird das Concerto von der Glass-Spezialistin Maki Namekawa. Dennis Russell Davies dirigiert das Kammerorchester InnStrumenti, eines der interessantesten Klangkörper Tirols. Erwartet werden in Wattens auch das Quatuor Ébène mit einem Beethoven-Programm, das Tetzlaff Quartett, der Tenor Julian Prégardien und Les Talens Lyriques unter Leitung von Christophe Rousset, das Quintett um die Geigerin Hyeyoon Park sowie das belgische Vokalensemble Vox Luminis, das sein Programm mit englischen Kompositionen aus Renaissance und Barock passend „Light and Shadow“ genannt hat.
„Musik ist ein Ort“, sagt Philip Glass. Ein Ort, der fesselt, der fasziniert. Wie die „Kristallwolke“ im Garten, eine überdimensionale Installation aus silbernen Gebilden, Maschendrahtzaun und 800.000 tropfenförmigen Kristallen. In allen Regenbogenfarben scheinen sie durch die Lüfte zu flirren und zu schwirren. Wie in einem verwunschenen Märchengarten. Magisch!
15 Jahre Musik im Riesen:
Die Festivaldaten im Überblick:
Musik im Riesen
Zeitraum: 24. – 27.5.18
Mitwirkende: Quatuor Ébène, Philip Glass, Dennis Russell Davies, Kammerorchester InnStrumenti, Julian Prégardien, Les Talens Lyriques, Tetzlaff Quartett, Brett Dean u. a.
Ort: Wattens (Österreich)