Die Schweiz mag relativ klein sein. Kulturell jedoch offenbart das Land viele Facetten. Dies trifft auch auf Schweizer Komponistinnen zu, deren Werke ein weites Panorama an künstlerischen Positionen und Formen bieten. Einiges davon ist Anfang Dezember im Konservatorium Zürich beim Swiss Female Composers Festival zu erleben. Hier präsentieren an einem Wochenende nicht weniger als achtzehn Komponistinnen mit biografischem Bezug zur Schweiz aktuelle Werke. Alle, ob wohnhaft in der Schweiz oder im Ausland, sind einem Aufruf der Pianistin und Komponistin Katharina Nohl gefolgt, die das Festival ins Leben gerufen hat: „Die Idee war, die Vielfalt zu zeigen. Wir haben die Werke nach Originalität, Farbreichtum, nach unterschiedlichen Stilen und Musikgenres ausgewählt. Es gibt viel zu entdecken.“
Das Festival bildet zudem das Schaffen mehrerer Generationen ab, sowohl der musikalische Nachwuchs als auch erfahrene Komponistinnen wirken mit. Am ersten Tag reicht das Spektrum mit Solo- und Ensemblewerken von Kammermusik bis zu Musik mit Band. So tritt etwa die Sängerin und Komponistin Bijayashree Samal, die Einflüsse aus der reichhaltigen Musiktradition Indiens verarbeitet, mit ihrer Formation Nandighosha auf. Der zweite Tag bringt Orchestermusik in verschiedenen Konstellationen, darunter konzertante Werke nicht nur mit Klavier oder Klarinette im Solopart, sondern auch mit dem in der alpenländischen Musik so beliebten Hackbrett. Mit dem jungen Kammerorchester I TEMPI aus Basel wurden ambitionierte Partner für das Festival gewonnen.
Die weibliche Musikszene im Fokus: Swiss Female Composers Festival
Daneben gibt es die Möglichkeit, mehr über die Komponistinnen des Festivals zu erfahren: Jeweils vor den Konzerten gewähren sie auf dem Podium Einblicke in ihr Schaffen, sprechen über ihre Musik und ihren künstlerischen Hintergrund. Das Festival will darüber hinaus nicht nur die weibliche Musikszene der Schweiz in den Fokus nehmen, sondern längerfristig die Komponistinnen auch miteinander vernetzen. Das ist ein dringendes Anliegen von Festivalleiterin Katharina Nohl, die seit 2002 in der Schweiz ihren Lebensmittelpunkt hat.
Sie selbst ist in der damaligen DDR, in der Lausitz, aufgewachsen und lebte während und nach ihrer Studienzeit in England, Italien, Holland sowie im süddeutschen Raum. Mit dieser internationalen Perspektive ist Katharina Nohl aufgefallen, dass die Rolle der Frau in der Schweiz oft noch traditioneller geprägt ist als in anderen Ländern. Männer sind, wie so oft, aufgrund bestehender Strukturen gut in Netzwerken eingebunden, Frauen weniger. Hier bietet das Swiss Female Composers Festival ein Forum, wie Nohl erklärt: „Ein wichtiger Gedanke des Festivals ist auch, dass man sich kennenlernt und sich untereinander austauscht.“ Für die Zukunft ist ein Register Schweizer Komponistinnen geplant.
Katharina Nohl selbst ist mit ihrem Stück „By the Baltic Sea“ für Klavier und Kammerorchester vertreten. Im Gegensatz zur Uraufführung 2019 in Sankt Petersburg wird sie es als Festivalleiterin im Dezember nicht selbst spielen, sondern vertraut es einer Kollegin an. Sie wird aber als Liedbegleiterin am Klavier mit einem kurzen Zyklus von Julia Schwartz auftreten. Der Aufruf, Werke zum Festival einzureichen, ist auf enormes Interesse gestoßen, wie sie berichtet: „Ich bekomme weiterhin Einsendungen aus verschiedenen Ländern.“ Mit ihrer Idee hatte sie somit das richtige Gespür für eine veritable musikalische Fundgrube. Die Premierenausgabe des Swiss Female Composers Festival dürfte somit ein erster Schritt für weitere zukünftige Entdeckungen sein.
Swiss Female Composers Festival
Sa. 5.12., 17 Uhr (pre-concert Podiumsvorstellung), 19 Uhr (Konzert)
So. 6.12., 15:30 Uhr (pre-concert Podiumsvorstellung), 17 Uhr (Konzert)
Zürich, Konservatorium (Florhofgasse 6), Swiss Female Composers Festival,
Werke von Sarah Giger, Sandra Goldberg, Aglaia Graf, Anastasiia Kuznetsov, Laura Livers, Natalija Marchenkova-Frei, Marylene Müller, Veneziela Naydenova, Amalia Nohl, Katharina Nohl, Esther Roth-Knuchel, Ilona Raad, Barbara Rettagliati, Bijayashree Samal, Margrit Schenker, Julia Schwartz, Iris Szeghy und Katharina Weber.