Auf die zweite Ausgabe des Riga Jurmala Festivals kann man sich jetzt ein Jahr länger freuen. Das Festival war gerade erst im letzten Jahr gegründet worden, nun muss es für 2020 aufgrund der Covid-19-Pandemie abgesagt werden. Die Riga Jurmala Academy, die 2020 ins Leben gerufen wurde, wird online fortgesetzt. Flötistin Natalie Schwaabe und Cellist Lionel Cottet (Stimmführer des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks) bieten Meisterkurse an. Außerdem ist eine internationale Fernsehsendung zu Ehren des lettischen Dirigenten Mariss Jansons († 2019) in Vorbereitung. Das Programm für 2021 wird im Spätsommer bekannt gegeben.
Jurmala riecht ganz besonders. Der intensive Duft des Kiefernwaldes mischt sich mit der leichten Salznote der Ostsee. Eindeutig ein Ort der Entspannung und Inspiration. Die lettische Stadt ist Sommerfrische und kulturelles Zentrum zugleich. Riga, die Hauptstadt, liegt nur zehn Kilometer entfernt, mit Auto, Taxi oder Bahn gut zu erreichen. Riga selbst hat einen Flughafen, der von vielen, auch günstigen Airlines angeflogen wird, beide Städte eignen sich also hervorragend für einen spontanen Kurztrip. Als Party-Meile mit pittoresker Innenstadt aus Jugendstil-Bauten, dem Staatstheater und dem Konzertsaal „Große Gilde“ hat sich Riga als Ausflugsziel im Baltikum bereits etabliert.
Jurmala, das „Saint-Tropez von Russland“, gilt noch als Geheimtipp. Raus aus dem umtriebigen Riga, betritt man in Jurmala eine andere Welt. Ein nie enden wollender Strand lädt zu sehr langen, ruhigen Spaziergängen ein. Insgesamt dreißig Kilometer weit erstreckt sich der weiße, feine Sand. Zwei Gehminuten vom Strand entfernt befindet sich der „Dzintaru koncertzāle“: Der kleine Saal fasst 500 Zuhörer, eine überdachte Freilicht-Bühne mit 2.000 Plätzen wird über das Jahr für diverse Konzerte auch abseits der Klassik genutzt, seit 2019 aber umso mehr für Beethoven und Mozart, seit hier wie in Riga jeden Sommer das Riga Jurmala Music Festival stattfindet. Zwei ohnehin schon attraktive Orte laden Klassikliebhaber an vier Wochenenden im Juli und August zu Kultur, Erholung und Architektur-Rundgängen ein.
Ort mit besonderer Aura
Das Festival setzt auf große Namen, die es auch an vielen anderen Klassik-Hotspots der Welt zu hören gibt. Eher selten ist, dass große internationale Orchester im Mittelpunkt stehen und an jedem der vier Wochenenden zwei der fünf Konzerte bestreiten. Auf das Name-Dropping wird sich der Künstlerische Leiter jedoch nur in den ersten Jahren verlassen. Martin Engström hat in der Abgeschiedenheit der Schweiz das Verbier Festival gegründet. Jetzt folgte er einer Anfrage der lokalen Tourismusgesellschaft. Der gut beschäftigte Schwede konnte nicht Nein sagen. Der Grund: Jurmala. „Ich liebe diesen Ort mit seiner besonderen Aura. Ich habe hier 1978 meine Hochzeitsreise verbracht.“
Die Tatsache, dass er keine Geldgeber suchen muss und ihm fünf Jahre Planungssicherheit in Aussicht gestellt wurde, war ein besonderer Reiz. Innerhalb kürzester Zeit hatte er das Konzept der Weekend-Mini-Festivals entwickelt. Über die Hälfte der Besucher sollen internationale Touristen sein. Engström hat auch Familien im Blick, denn der Strand von Jurmala geht ganz flach ins Meer, und in der entspannten Atmosphäre kann man Kinder stressfrei ins Konzert mitnehmen. Mit über zwanzig kleinen Musikfestivals, weltbekannten Musikern und einer lebendigen Chortradition ist Lettland mitnichten musikalisches Ödland, und so erwartet man auch eine treue einheimische Zuhörerschaft. Das erklärt die aus hiesiger Sicht moderaten Ticket-Preise für die erste Liga der Klassikstars.
Jugendstil-Mekka des Baltikums
Viele große Konzerthäuser gibt es im Baltikum, aber keines in Riga. Die Staatsoper ist akustisch nur bedingt geeignet für große Orchesterkonzerte, und die „Große Gilde“ hat nur 600 Plätze. Vom Festival erhofft man sich daher auch kulturpolitische Impulse. Dafür, dass sich das Festival weiterentwickelt, sorgt auch die lettische Geschäftsführerin Zane Culkstena. Die gelernte Ökonomin und Kulturmanagerin freut sich auf Uraufführungen und Kompositionsaufträge, auf lettische Komponisten in den Programmen und auf neue Konzertformate.
concerti-Tipp:
Riga Jurmala Music Festival
10.7.–30.8.2020
Gautier Capuçon, Maria João Pires, Matthias Goerne, The King’s Singers u.a.
Dzintari Konzerthalle, Große Gilde, Staatsoper