„Oh Madame, ich weiß wohl, dass Sie eine leibhaftige Teufelin sind, aber ich will Ihnen zeigen, dass ich Beelzebub, der Teufel Oberster bin!“ Georg Friedrich Händel sorgte äußerst streng für Ruhe, als es bei den Proben wieder einmal sehr streitbar zuging. Francesca Cuzzoni hatte sich geweigert, eine Arie zu singen. Da packte der kräftig gebaute Maestro die Primadonna und hielt sie aus dem Fenster. Nach heutigem Ermessen schildert diese Anekdote einen Fall von gewaltsamen Übergriff. Eindeutig.
„Ladies first“ heißt es in der Jahresausstellung des Händel-Hauses Halle, und die Händel-Festspiele vom 31. Mai bis zum 16. Juni stehen unter dem Motto „Empfindsam, heroisch, erhaben – Händels Frauen“. In „Berenice“ geht es um eine ägyptische Königin wie auch in Peter Konwitschnys deutschsprachiger Neuinszenierung von „Julius Cäsar in Ägypten“. Cleopatra und Cornelia, die den Tod ihres Gatten Pompeius beklagen muss, sind starke Persönlichkeiten im Konfliktmanagement und durch Schmerzresistenz. Eine tönende Galerie respektheischender, liebenswerter und rachelüsterner Frauen bevölkert den Kosmos von Händels Opern und Handlungsoratorien. Einige von ihnen sind die durch Leid und Rache bösartig gewordene Medea, die leidenschaftliche Zauberin Alcina, Neros Mutter Agrippina, die Quellnymphe Galatea, die Langobardenkönigin Rodelinda und die als Mann verkleidete Bradamante.
Die Händel-Festpiele ehren eine Musikwissenschaftlerin
Nach Romelia Lichtenstein und Vivica Genaux erhält allerdings keine ihrer großartigen Interpretinnen den Händel-Preis: Man ehrt 2019 die Heidelberger Musikwissenschaftlerin Silke Leopold für ihre bahnbrechenden Studien zur Barockmusik. Neben ihrem Festvortrag prägt die mehrtägige wissenschaftliche Konferenz „Zwischen Alcina und Theodora: Frauengestalten in den Werken Händels und seiner Zeitgenossen“ den fachlichen Hintergrund für fast hundert Veranstaltungen.
Dieses Jahr kann Intendant Clemens Birnbaum mit einer besonders glanzvollen Reihe von Opern und Konzerten verführen. Es gastieren Hana Blažíková, Julia Böhme, Giuseppina Bridelli, Emmanuelle Haïm, Ann Hallenberg und Anna Prohaska. Ein Konzert der Lautten Compagney Berlin trägt den Titel „Gender Stories“ und schlägt damit ganz bewusst den Bogen von aktuellen Diskursen zu Händels Sujets im Zentrum der Pole Venus contra Mars und Harmonie contra Chaos. Zu Schauplätzen werden fast alle schönen Orte der Händel-Stadt Halle, das Goethe-Theater Bad Lauchstädt, das Theater Bernburg und das Opernhaus Magdeburg.