Musik von heute und morgen – Konventionsbrüche, Vermischungen von Kunstformen, Reflexionen auf unsere Zeit. Aber der eigentliche Reiz liegt darin, dass das Festival weniger auf „Stammgäste“ setzt, als auf neue Künstler, denen sich hier ein Forum bietet: Die Performance von Johannes Kreidler am Schreibtisch, am Klavier, an der E-Gitarre und an der Fahrradklingel oder eine Lichtkonzeption, die die Celloklänge von Séverine Ballon visualisiert oder auch die groteske Operette „Schummellümmelleichen und schrille Tentakel“ von Gordon Kampe. Doch die Besucher treffen auch auf alteingesessene Komponisten und Künstler wie Georges Aperghis, Iris ter Schiphorst oder Mike Svoboda.
Vom Komponistenporträt zum Panorama unserer Zeit
Dabei war die Idee anfangs eine ganz andere: Hans-Peter Jahn gründete das Festival 1980 zunächst als Komponistenporträt unter dem Namen „Tage für Neue Musik Stuttgart“. Seit Beginn der 80er-Jahre prägte Hans-Peter Jahn als Autor, Cellist und Komponist die zeitgenössische Musik in Stuttgart mit seinen Konzerten sowie der Konzertreihe „Studio im Planetarium“. In dieser Zeit entwickelte sich auch eine intensive Zusammenarbeit mit Christine Fischer, die 1985 noch während ihres Musikstudiums Geschäftsführerin von „Musik der Jahrhunderte“ wurde. 1989 übernahm Hans-Peter Jahn die Redaktion für Neue Musik beim SDR (heute SWR) und schloss sich dem Team von „Musik der Jahrhunderte“ an.
1997 wurde die Konzeption grundlegend geändert und das Festival erhielt gleichzeitig den neuen Namen ECLAT: Anstelle eines Komponistenporträts wurde nun nach neuen Konzertformen unter interdisziplinärem Aspekt gesucht, bei denen Uraufführungen eine zentrale Position einnehmen sollten. 2013, also nach über 30 Jahren, verabschiedete sich Hans-Peter Jahn schließlich als Künstlerischer Leiter von ECLAT. Heute veranstaltet „Musik der Jahrhunderte“ alljährlich am ersten Februarwochenende das ECLAT Festival und zählt dabei mittlerweile zu den international wichtigsten Veranstaltern und Produzenten für zeitgenössische Musik in Europa. 2014 und 2015 hatte die Intendantin Christine Fischer zusammen mit Björn Gottstein, Redakteur für Neue Musik beim SWR Stuttgart, die künstlerische Leitung von ECLAT inne. Seit 2016 kuratiert Christine Fischer das Festival hauptverantwortlich. Die beiden Konzerte der SWR-Klangkörper, die unter dem Label „SWR JetztMusik in ECLAT“ stattfinden, werden von Lydia Jeschke (Redaktionsleiterin Neue Musik und Jazz des SWR) programmiert.
ECLAT Festival: Vermischung verschiedener Kunstgattungen
Die Idee von Christine Fischer ist es, bei ECLAT in erster Line eine Bestandsaufnahme des gegenwärtigen künstlerischen Schaffens zu präsentieren – in diesem Jahr erstmals sogar an fünf Tagen, um der Vielfalt der aktuellen Szenerie gerecht zu werden. Dabei ist sie immer auf der Suche nach neuen Konzertformen, die die Vermischung verschiedener Kunstgattungen nicht scheuen: So schickt zum Beispiel Raphael Sbrzesny die Besucher in seiner musiktheatralen Installation „Principal Boy“ durch einen Parcours aus Skulpturen, Video- und Klanginstallationen. Dort sollen Terror und männlicher Heldentum unter verschiedenen Aspekten beleuchtet werden – Auslöser für die Installation war das Fußballspiel Frankreich gegen Deutschland vom 13. November 2015, das von den Terroranschlägen in Paris überschattet wurde.
Nach wie vor spielt der SWR als Kooperationspartner eine wichtige Rolle – insbesondere die zwei großen Klangkörper: das SWR Vokalensemble und das SWR Symphonieorchester. Am Samstag wagen das Trio Catch und das SWR Vokalensemble sogar einen Blick in die Zukunft: Mit „voiced void“ von Claus-Steffen Mahnkopf forschen sie in Texten der jüdischen Theologie nach Anhaltspunkten für eine bessere Welt – aber die 24 Uraufführungen und neun Deutschen Erstaufführungen während des Festivals sind doch schon mal ein guter Anfang.
Impressionen vom ECLAT Festival 2017:
Die Festivaldaten im Überblick:
ECLAT Festival Neue Musik Stuttgart
Zeitraum: 31.1. – 4.2.2018
Mitwirkende: Trio Catch, Mike Svoboda, Quatuor Diotima, Neue Vocalsolisten, ensemble mosaik, Klavierduo Yukiko Sugawara und Tomoko Hemmi u. a.
Ort: Stuttgart