„Wahnsinn! Das Festival 2020 findet statt!“ – Die Organisatoren des Davos Festivals können es selbst kaum fassen. Verständlich, denn es klingt tatsächlich ein wenig nach verkehrter Welt: Zum ersten Mal seit Wochen sind es keine ernüchternden Absagemitteilungen, die von den Kulturveranstaltern ausgehen, sondern freudestrahlende Zusagen: Ja, wir spielen! Auch in der Schweiz scheint sich das Coronablatt ganz langsam und vorsichtig zu wenden.
Seit dem 6. Juni sind Veranstaltungen bis zu 300 Personen wieder gestattet, so verkündete es der Schweizer Bundesrat vor wenigen Tagen. Bedingung bleibt selbstverständlich die strikte Einhaltung der gängigen Hygienevorschriften und Schutzmaßnahmen.
Ende der Ungewissheit
Trotz der weiterhin geltenden Einschränkungen fällt vielen Veranstaltern und Künstlern sichtlich ein Stein vom Herzen. „Ich bin froh, dass die Zeit des Abwartens und der Ungewissheit vorerst ein Ende hat“, sagt Marco Amherd, Intendant des Davos Festivals. „Dank der weiteren Lockerungsmaßnahmen können wir unsere Festivalmaschine wieder mit voller Kraft in Gang setzen. Sie stand nie still in den vergangenen Wochen und Monaten. Jedoch war es auch für uns eine aufreibende Zeit, die viel Flexibilität, Kreativität und einen langen Atem erforderte.“ Unter dem Motto „Von Sinnen“ wird das Davos Festival nun zwar in Corona angepasstem Rahmen, aber dennoch wie ursprünglich geplant vom 31. Juli bis 15. August 2020 stattfinden.
Mit zahlreichen Konzerten von nationalen wie internationalen Künstlern und Orchestern wird auch das Festival Klosters Music sein Publikum vom 31. Juli bis 9. August offiziell willkommen heißen. „Beethoven. Ruf vom Berge“ heißt hier das Motto, mit dem die Veranstalter dem 250-jährigen Jubilar unter Beachtung eines strengen Schutzkonzepts in diesem Jahr huldigen wollen.
Für andere wie etwa die Züricher Festspiele kam dieser erste Moment des Wiederaufatmens leider ein wenig zu spät. Die hiesigen „Festspiele X“ werden vom 5. bis 28. Juni zum größten Teil in digitaler Form stattfinden. Dennoch kann auch Zürich frohen Mutes in eine analoge Zukunft blicken: Mit einem als „Finale“ betitelten exklusiven Minifestival wird das Züricher Opernhaus seinen Proben- und Spielbetrieb noch vor der Sommerpause wiederaufnehmen und vom 4. bis 12. Juli täglich Konzerte und Liederabende veranstalten. Auch das Züricher Tonhalle-Orchester sowie das Züricher Kammerorchester werden ihre Konzertsaisons doch noch mit Liveauftritten und echtem Publikum abschließen können.
Mit Zuversicht in die Zukunft
Dank der neuen Lockerungen versuchen neben den Züricher Veranstaltern auch zahlreiche weitere Spielstätten in der ganzen Schweiz ihre Saisons mit spontan entworfenen Alternativspielplänen zu einem würdigen Ende zu bringen. Ab dem 8. Juni zeigt beispielsweise das Konzert Theater Bern jeden Tag eine Musiktheater-, Schauspiel- oder Tanzproduktion oder ein Konzert. Ähnlich engagiert gibt sich das Musikkollegium Winterthur, das mit seiner „Comeback“-Konzertreihe ab dem 10. Juni seine Konzertsaalpforten wieder öffnet.
Zwischen dem 11. Juni und dem 10. Juli findet in St. Gallen auf der Outdoor-Bühne beim Theater unter dem Namen „Parkspiele“ ein Sommerfestival mit freiem Eintritt zu allen Vorstellungen statt. Auch das Sinfonieorchester Basel wird sein letztes Abonnementkonzert dieser Saison live geben. Andere Häuser wie die Opéra de Lausanne oder das Kultur- und Kongresszentrum Luzern haben die aktuelle Saison bereits ad acta gelegt und konzentrieren sich mit Zuversicht auf eine möglichst reibungslose, spielplannahe, den Coronamaßgaben entsprechende Umsetzung der kommenden Spielzeit 2020/2021.
Auch für die Pokernden unter den Festival-Veranstaltern, die ihre Events für diesen Sommer noch nicht abgesagt haben, wächst durch die bisherigen Lockerungen weiterhin die Hoffnung auf Austragung. So halten sich das Zermatt Music Festival & Academy, das Festival Alte Musik Zürich und das Musikfest Bern, die allesamt im September stattfinden sollen, noch alle Möglichkeiten offen. Sollten sich die Lockerungsmaßnahmen als erfolgreich erweisen, wird aus dem entfallenen Festivalsommer 2020 vielleicht doch noch ein Festivalspätsommer.