Blockflötistin Dorothee Oberlinger nimmt das Publikum der Arolser Barock-Festspiele mit auf eine europäische „Grand Tour“, jene Bildungsreise, die im 18. Jahrhundert beim Adel so beliebt war. Zum 300. Jubiläum der Barockstadt Bad Arolsen dreht sich das Festivalprogramm um Musiker und interessante Persönlichkeiten, die auf ihren Reisen quer durch Europa am fürstlich-waldeckischen Hof Station machten. So wie der französische Komponist André Danican Philidor, der 1752 in Arolsen acht Monate verbrachte, um Schach zu spielen. Er galt als bester Schachspieler seiner Zeit, was der damalige Prinz von Waldeck und dessen Freunde ausgiebig getestet haben sollen.
Die Arolser Barock-Festspiele streifen durch die örtliche Musikgeschichte
Zwar ist die Stadt mit 300 Jahren noch relativ jung, aber wegen ihres Hofs doch ausgesprochen geschichtsträchtig. Der aus Schweden stammende Hofrat und Schriftsteller Joachim Christoph Nemeitz begleitete junge deutsche Adlige auf verschiedenen Bildungsreisen. Von einer Reise nach Venedig, die er gemeinsam mit dem Fürsten Anton Ulrich unternahm, brachte er die italienische Sängerin und Geigerin Maria Domenica Polon als Attraktion an den Arolser Hof mit. Polon, die bei Vivaldi am berühmten Ospedale della Pietà ausgebildet wurde, sorgte als Primadonna zunächst in Arolsen und später in Hamburg an der Oper am Gänsemarkt für Aufsehen. Die Venezianerin ist Anlass für das diesjährige Eröffnungskonzert: Mit der amerikanischen Sopranistin Robin Johannsen und dem La Folia Barockorchester erklingen erstmals nach langer Zeit wieder einige der Polon-Arien aus den Arolser Archiven im herrschaftlichen Residenzschloss. Doch über die Bespielung des wunderschönen Prunkbaus hinaus ist es der Intendantin Dorothee Oberlinger wichtig, das Landstädtchen einzubinden, und so spielt die Musik ebenso in Hotels und der Stadtkirche.
Und damit Bad Arolsen nicht einfach ein Festival übergestreift bekommt, sondern die Besucher den Ort im nordwestlichen Zipfel Hessens auch kennen- und schätzen lernen, gibt es während der fünf Tage über die Barockmusik hinaus ein vielseitiges Programm mit Kabarett, Künstlergesprächen, Ausstellungen und Veranstaltungen von Jazztanz bis Chanson, das alljährliche Gala-Diner sowie Führungen durch Schloss, Stadt und Waldecker Land – hier im Herzen der Republik, wo Wälder und Dörfer noch immer die Landschaft prägen, wo dereinst die Fürsten zu Waldeck und Pyrmont herrschten und ihre Nachfahren bis heute in jener prächtigen Barockresidenz wohnen, die den zentralen Veranstaltungsort der Festspiele bildet.